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Himmel über London

Himmel über London

Titel: Himmel über London
Autoren: H Nesser
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Geräusch, das im Raum zu hören war, war Leonards Atem, jetzt deutlich angestrengter. Ungefähr wie eine alte Säge, die sich an einem hoffnungslos zu großen Eichenstamm versuchte.
    »Ich habe für die gesamte Summe eine Rugbymannschaft gekauft.«
    Prendergast blätterte um.
    »Rugby?« Maud hob ihr Portweinglas, stellte es aber wieder hin, ohne getrunken zu haben. »Warum, um alles in der Welt …?«
    »Bitte Ruhe«, sagte Prendergast und las weiter: »Die Mannschaft heißt The Harlequins , sie waren nach einigen schlechten Spielzeiten im Angebot, und ich habe zugeschlagen. Die Kaufsumme, inklusive dem Stoop Stadium draußen in Twickenham, betrug exakt 47,5 Millionen Pfund, das heißt 48,97 Millionen Euro nach dem aktuellen Kurs. So bleiben nur noch dreißigtausend Euro übrig, die dazu gedacht sind, die Reisen meiner Erben nach London, ihren Aufenthalt hier sowie dieses Essen zu bezahlen, das mit dieser Testamentsverlesung seinem Ende zugeht.«
    Gregorius Miller war aufgestanden, aber seine Schwester umrundete den Tisch und drückte ihn wieder auf seinen Sitz. »Eine Rugbymannschaft«, zischte er. »Eine bescheuerte Rugbymannschaft, und das für zehn Jahre!«
    »Ein Sechstel einer Rugbymannschaft«, korrigierte Irina, »übertreibe nicht.«
    »Die Harlequins dürfen also unter keinen Umständen vor 2020 verkauft werden«, fuhr Prendergast unbeirrt fort. »Da mein Sohn Milos nach den Vereinbarungen fünfzig Prozent des Clubs besitzt, soll er außerdem als ihr Präsident fungieren. Ich möchte euch allen gratulieren! Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder einzelne meiner Erben das bekommen hat, was er oder sie verdient hat, nicht mehr und nicht weniger. Das ist mein letzter Wille und mein Testament. London, den 25. September 2010. Unterzeichnet: Leonard Vermin. Bezeugt etcetera etcetera.«
    Prendergast klappte die Mappe zu und nahm sein Monokel heraus. Maud hob die rechte Hand. Mit der linken hielt sie Leonards Handgelenk vorsichtig umklammert.
    »Hört bitte alle her«, sagte sie. »Er hat keinen Puls mehr. Ich glaube, er ist tot.«
    Aus dem hinteren Raum begann die Uhr zwölf Mal zu schlagen. Und trotz der traurigen Todesnachricht erklang plötzlich ein unterdrücktes Lachen im Lokal. Es kam vom Oberkellner Barolli.

74

    D as Taxiunternehmen hieß Fox Black Cars and Limos , und nach einer halben Stunde energischer Telefonate aus seinem Zimmer im Lords Hotel in Bayswater wusste Lars Gustav Selén endlich, wohin seine sechs Figuren verschwunden waren.
    Ins Terracotta Restaurant am Paved Court draußen in Richmond.
    Es war Viertel nach elf, als er Richmond und die Straße auf einem Stadtplan gefunden hatte. Vielleicht schaffe ich es ja noch, dachte er. Wie weit können sie gekommen sein? Ich muss es auf jeden Fall versuchen.
    Er nahm zwei Tabletten gegen die Schmerzen in der rechten Hand und lief auf die Westbourne Grove hinaus. Die Luft war immer noch warm, aber der Himmel schien in Bewegung zu sein, und zweifellos war Regen zu erwarten. Es ging darum, so schnell wie möglich ein Taxi zu finden, aber nach fast zehn Minuten war nicht ein einziges freies Fahrzeug vorbeigekommen, in keine der beiden Richtungen, und er beschloss, es lieber unten an der Bayswater Road zu versuchen.
    Immer noch klang dieses unbegreifliche Treffen mit Carla in ihm nach. Ihr Kuss fühlte sich wie ein pulsierender warmer Fleck auf seiner Wange an, und er dachte, was immer auch passieren mochte, wie immer sich der Rest dieses Abends und sein großer Roman auch entwickeln würden, so hatte das keine Bedeutung mehr. Man kann wünschen, dass ein Leben und ein Roman geradlinig verlaufen, wie ein Zug auf den Eisenbahnschienen, und es ist leicht, sich einzubilden, dass der Endpunkt, die Ankunft im letzten Kapitel oder an der Endstation, Ziel und Sinn des Ganzen war. Sinn und Zweck der gesamten Reise scheint sich hier zu versammeln, aber ganz so primitiv verhält es sich nicht. Nicht unbedingt, es ist die Reise, die die Mühe wert ist, warum beeilen wir uns so mit dem Leben, wenn die Ankunft trotz allem doch nur den Tod beinhaltet? Während er hinunter zur Bayswater Road ging, fühlte er, wie die Zwischenstopps wie eine muntere Möbiusschleife im Wind in seinem Kopf tanzten: Hlavní Nádraží in Prag, Temple Meads in Bristol, der Schulhof daheim in K., Trafalgar Square und St. Martin-in-the-Fields, Bramstoke and Partners, Paddington Station, die Bushaltestelle in Håverud, Kopper Car Splendid Service and Wash, Rembrandt, das Zimmer in der
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