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Himmel über London

Himmel über London

Titel: Himmel über London
Autoren: H Nesser
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rechts, die Frau/der Mann drehte den Kopf und schaute ihn kurz an, und jetzt, jetzt endlich, in dem sanften Licht der hübschen Deckenlampe, konnte Leya sehen, dass er es war.
    Ja, es war wirklich Richard, der dort stand – und er war es wirklich, der seine rechte Hand mit einer Waffe hob, der zwei große Schritte hin zum Speisesaal machte, und es gab keinen Zweifel, was seine Absicht war.
    Sie rief etwas – vielleicht seinen Namen, vielleicht etwas anderes –, während sie sich gleichzeitig mit all ihrem lächerlichen Gewicht auf ihn warf. Trotzdem brachte sie ihn aus dem Gleichgewicht, er fluchte, eine Säule kippte um, ein Kellner schrie auf, und ein Schuss löste sich.
    Milos Skrupka saß auf seinem Platz und betrachtete die Ereignisse in der Türöffnung, als drehte es sich dabei um eine Szene aus einem Theater. Genau so drückte er sich etwas später der Polizei gegenüber aus. Eine Theaterszene. Die Pistolenkugel traf mitten in die Rückenlehne des Stuhls neben ihm, auf dem noch zwei Sekunden zuvor Irina Miller gesessen hatte. Sie war in dem Moment aufgestanden, als das siebzigjährige Geburtstagskind erklärt hatte, dass man sich jetzt die Beine vertreten dürfte, und es war jedem ziemlich klar – ganz besonders ihr selbst –, hätte sie das nicht getan, dann wäre sie mitten in der Brust getroffen worden. Denn es war ebenfalls klar, dass es sich um eine ziemlich schwere Waffe handelte, da die Kugel quer durch die Rückenlehne gedrungen war, ein großes Loch auf der Rückseite gerissen hatte, um sich schließlich ungefähr fünf Zentimeter tief in die harte Holzwand zu bohren, direkt unter einem der beiden Fenster, die auf den Hof zeigten.
    Die Frau, die geschossen hatte und die, wie mehrere auch gesehen hatten, im Augenblick des Abdrückens von hinten von einer anderen, bedeutend kleineren Frau attackiert worden war, hatte daraufhin geschwankt und die Pistole verloren, die nach einem weiten Bogen durch die Luft auf dem Boden entlangrutschte und unter einem Geschirrschrank verschwand. Aber die große Frau verlor nicht ganz ihr Gleichgewicht, sie schaffte es, auf den Beinen zu bleiben, doch als sie sah, dass es ihr nicht gelungen war, ihre Beute zu treffen, und dass sie nicht mehr im Besitz ihrer Waffe war, schüttelte sie die kleinere Frau ab, machte eine Kehrtwendung und rannte auf demselben Weg, auf dem sie gekommen war, aus dem Lokal hinaus. Niemand schaffte es, sie aufzuhalten.
    Die kleinere Frau, die asiatischer Herkunft war (laut Polizeibericht) und offenbar eine Art Verbindung mit dem bandagierten Restaurantgast Mr. Skrupka hatte (laut demselben Bericht), blieb jedoch im Raum. Nicht im Speisesaal direkt, sondern im angrenzenden Raum, wo sie nach und nach und so genau wie möglich den Inspektoren Lewis und Conolly vom Thames Val ley Police District berichtete, was eigentlich vorgefallen war. Dass mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht Miss Miller das anvisierte Opfer war, sondern Mr. Skrupka, ihr eigener Verlobter. Der mit dem Kopfverband.
    Eine polizeiliche Fahndung nach Mr. Richard Mulvany-Richards, möglicherweise als Frau verkleidet, wurde noch vor Mitternacht im ganzen Land versandt. Und für alle Eventualitäten sollten zwei routinierte Polizeibeamte in unmittelbarer Nähe des Terracotta Restaurants postiert werden, für die unwahrscheinliche Möglichkeit, dass der Täter zurückkehren würde.
    Die Ereignisse hatten dem Verlauf der Geburtstagsfeier so einige Knüppel in den Weg geworfen, sie aber nicht bremsen können. Nach diversem polizeilichen Hin und Her – Fragen und Antworten und Fragen und Antworten – konnten der versprochene Cocktail und die darauf folgende Käseplatte mit gut und gern einer halben Stunde Verspätung serviert werden.
    Ungefähr zur selben Zeit bekam Leya Yun Se die Erlaubnis, das Terracotta Restaurant zu verlassen. Aber erst, nachdem sie an den Tisch gegangen und ihrem bandagierten Verlobten vor der gesammelten Mannschaft einen Kuss auf den Mund gegeben hatte, setzte sie sich in ein Taxi und fuhr heim nach Ravenscourt, um ins Bett zu gehen.
    Es war ein langer Tag gewesen, und sie verfluchte immer noch ihre Unentschlossenheit. Aber lieber spät als nie.

73

    D e r grün schimmernde Drink – das Wichtigste beinhaltend und mit einem starken Geschmack nach Limone, Gin und Tabasco – war ausgetrunken. Die Musik, The Triumph of Time and Truth von Händel, war verklungen und die beeindruckende Käseplatte angerichtet. Der Stuhl mit dem Schussloch war ausgetauscht.
    Es
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