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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo
Autoren: bach
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Straßenpflaster fiel und sie die davonrollenden Knollen auflesen musste, blieb Ettje ungewöhnlich ruhig, seufzte nur und meinte, darauf käme es jetzt auch nicht mehr an. Charlotte hingegen war ärgerlich über die Verzögerung, wollte sie doch so rasch wie möglich ihren Triumph auskosten.
    Der Himmel war taubenblau, nur oben im Norden zogen weiße Schleierwölkchen vorüber, faserig wie dicht gesponnene Netze. Der Wind hatte einen Teppich aus welkenden Blütenblättern vor die Eingangstür des großväterlichen Hauses geweht, sie klebten an Charlottes Schuhen fest, als sie eilig darüberlief und die Tür aufriss.
    In der Küche war niemand außer dem Kater, der zusammengeringelt in seiner Kiste schlief. Ein großer, eiserner Topf blubberte auf dem Herd und ließ den Deckel hüpfen, darin war Möhreneintopf mit Speck, das konnte man riechen.
    » Die haben schon zu Mittag gegessen und sind jetzt am Putzen«, mutmaßte Ettje beklommen.
    » Aber der Topf ist doch noch ganz voll«, stellte Paul fachmännisch fest. » Sonst würde es doch nicht spritzen.«
    » Dann ist wohl Besuch da!«
    Eigentlich kam am Tag vor einem Fest kein Besuch, höchstens mal eine Nachbarin, die Eier oder eine Tasse Mehl borgen wollte und noch ein wenig klönte. Die hätte aber in der Küche bei Tante Fanny gesessen.
    Besuch, das war eine gute Nachricht für Ettje und Paul, denn dadurch würde die Strafe fürs Zuspätkommen aufgeschoben werden. Charlotte dagegen, die vor Stolz platzte und es eilig hatte, vor der Großmutter zu glänzen, ärgerte sich.
    Die Kinder schlichen auf Zehenspitzen zurück in den Eingangsflur, blieben vor der Stubentür stehen und lauschten. Richtig, dort wurde gesprochen, man vernahm eine tiefe Männerstimme, die Charlotte bekannt vorkam.
    » Das ist Superintendent Doden«, flüsterte Ettje. » Was will der denn heute bei uns?«
    » Da hat jemand gelacht«, sagte Paul, der das Ohr an die Tür gepresst hielt. » Oder nee. Ich glaub eher, da heult wer.«
    » Das ist Mama.«
    Alle fuhren zusammen, denn sie hatten Klara auf der dämmrigen Treppe nicht gesehen. Sie hatte unten auf der letzten Stufe gesessen und stand jetzt auf, um zu ihnen zu humpeln.
    » Ich durfte nicht mit rein«, sagte sie leise. » Deshalb hab ich hier gesessen und gewartet.«
    » Was ist denn los?«, forschte sie Ettje aus. » Mama ist doch nicht krank?«
    In diesem Augenblick wurde die Stubentür geöffnet, und Paul, der das Ohr noch am Schlüsselloch hatte, sprang blitzschnell zurück. Nichts erschien ungewöhnlich an Pastor Dirksen, abgesehen von den roten Äderchen in seinen Augen und seinem Bart, der plötzlich zitterte.
    » Charlotte«, sagte er, ohne auf die anderen zu achten. » Komm mit mir hinauf ins Arbeitszimmer.«
    Scheu sahen die anderen Charlotte an– sie musste etwas ganz besonders Schlimmes ausgefressen haben, dass sich der Großvater persönlich darum kümmerte.
    Charlotte warf einen flüchtigen Blick in die Wohnstube, und das Bild, das sich ihr bot, blieb ihr in Erinnerung, als habe es jemand in Stahl gestochen. Das klobige, dunkelbraune Sofa mit den Häkelkissen, auf dem der dürre Superintendent in steifer Haltung saß, den schwarzen Hut in den Händen. Die Großmutter im Sessel neben einem Strauß künstlicher Farnwedel, die aus grauen Federchen gemacht waren. Ihre zusammengekniffenen Augen, die dunkel geäderte Hand, die sie vor den Mund gepresst hielt. Das farbenfrohe Spiel der Maisonne in den kleinen Fensterscheiben, die Nippesfiguren auf der Kommode, zwischen denen das weiße Marmorkreuz aufragte, das Papa einmal aus Südamerika mitgebracht hatte. Ein Stück von Tante Fannys dunkelblauem Kleid, über dem sie noch die weiße Schürze trug– der Rest wurde von der Tür verdeckt.
    Der Großvater stieg langsam, Schritt um Schritt, die Treppe hinauf, seine linke Hand glitt über den hölzernen Lauf des Geländers. Charlotte konnte seinen keuchenden Atem hören, doch er blieb nicht stehen, um sich auszuruhen. Oben im engen Arbeitszimmer war Pauls Bett noch nicht gemacht, sein Nachthemd lag auf dem Dielenboden, daneben ein Schuh und zwei Socken.
    Der Tag endete in diesem kleinen, dämmrigen Raum, vor dem Schreibtisch aus Eichenholz, denn alles, was danach geschah, sollte für alle Zeiten aus Charlottes Erinnerung gelöscht sein. Nur das erstarrte Gesicht ihres Großvaters blieb ihr im Gedächtnis, die Farbe seiner Haut, die fast ebenso weiß wie Haar und Bart erschien, und seine bläulichen, schmalen Lippen.
    » Du wirst von nun
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