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Highland-Saga 03 - Schild und Harfe

Highland-Saga 03 - Schild und Harfe

Titel: Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
Autoren: Sonia Marmen
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und sah vor ihrem inneren Auge, wie er die kleinen Fäustchen hob und nach der Liebe verlangte, die sie ihm so hartnäckig verweigerte. Ihr Kind brauchte sie, und sie überließ es einer fremden Frau; genau wie ihre eigene Mutter es bei ihr und ihren Brüdern getan hatte. Es war ihr Sohn … und der Sohn Alexanders, der Liebe ihres Lebens. Wenn sie den Vater nicht mehr lieben konnte, dann würde sie ihre Liebe wenigstens ihrem Sohn schenken. Jedes Kind hatte es verdient, von seiner Mutter geliebt zu werden.
    »Ich will nicht so sein wie sie, niemals! Ich liebe Gabriel, ich liebe meinen Sohn!«
    Laut schrie sie die Wahrheit heraus, die ihr endlich aufgegangen war. Isabelle rückte eilig ihr Mieder zurecht und lief hinaus. Auf dem Korridor begegnete sie ihrem erschreckten Gatten, der ihr Schreien und Weinen gehört hatte und herbeigerannt war. Sie ignorierte ihn, stieg eilig die Treppe hinunter und trat entschlossen in die Küche, wo die Amme ihren Sohn gerade an die andere Brust legen wollte.
    »Gebt mir meinen Sohn! Ich will mein Kind zurück!«
    Madame Chicoine starrte sie verständnislos an. Madeleine war ebenfalls bestürzt und stand auf. Justine und Ti’Paul taten es ihr nach. Isabelle trat auf die Amme zu und nahm ihr Gabriel aus den Armen, um ihn endlich an sich zu drücken. Sie weinte jetzt, und das Kind, das erschrocken und der Brust beraubt war, fiel ein.
    »Lass deinen Sohn zu Ende trinken, Isabelle! Du kannst ihn nachher halten.«
    Doch Isabelle ging schon zur Treppe. Sie drehte sich um und maß ihre Mutter mit einem vernichtenden Blick.
    »Ich werde Gabriel geben, was eine Mutter ihren Kindern schuldig ist, so unglücklich sie selbst auch sein mag. Ich rede von Liebe, Mutter, von echter Liebe!«
    Justine erbleichte und gab keine Antwort. Schlaff ließ sie sich wieder auf einen Stuhl fallen, während die junge Frau auf der Treppe verschwand. Nun hatte sie ihre Tochter endgültig verloren. Um sich vor Isabelles Hass zu schützen, betrachtete sie den Kupferstich in dem aufgeschlagenen La Fontaine-Band: Er zeigte den Fuchs, wie er begierig einen schönen Käse anschaut, den der Rabe im Schnabel trägt. Ein trockenes Schluchzen entrang sich ihr. Es war Zeit, dass sie fortging. Alles war vorbereitet. Was Guillaume anging, so stand die Diagnose des Arztes jetzt fest: Der junge Mann war geisteskrank und würde nach seinen Kenntnissen und seiner Erfahrung wahrscheinlich nie wieder gesund werden. Im besten Falle würde sein Zustand sich für eine mehr oder weniger lange Zeit verbessern. Da sein Fall besonders schwer war, hatte man Guillaume in einem Hospital untergebracht, um ihn selbst und seine Familie zu schützen.
    Paul konnte das Jesuitenkolleg in Québec, das auf unbestimmte Zeit geschlossen war, nicht weiter besuchen. Daher hatte Justine an einen Onkel in Frankreich geschrieben und ihn gebeten, für ihn einen Platz in der besten Schule von Paris zu finden, die sie sich von dem Geld, das ihr Mann ihr hinterlassen hatte, leisten konnte. Jetzt hielt sie nichts mehr in diesem Land. Höchste Zeit, dass sie die kanadische Wildnis hinter sich ließ und in die Zivilisation zurückkehrte.
     
    Isabelle sog den süßlichen Duft des Kindes ein. Der Kleine zappelte mit den Händchen und versuchte seine Faust in den Mund zu stecken. Unzufrieden verzog er dann das Gesicht und stieß ein schrilles Heulen aus.
    »Hast du Hunger, Gaby?«, murmelte sie zärtlich, trat in ihr Zimmer und verschloss die Tür sorgfältig hinter sich.
    Gabriel, der zweifellos erstaunt und neugierig war, beruhigte sich und schlug die Augen auf. Isabelle streichelte über das feine, leuchtend rote Haar auf dem runden Köpfchen und liebkoste eine Wange. Das Kind glaubte wohl, es bekomme erneut die Brust geboten und wandte den Kopf. Doch als es vergeblich suchte, begann es erst recht zu brüllen.
    »Ich habe ja verstanden! Sofort!«
    Lachend machte Isabelle eine Brust frei, und das Kind sog die Spitze gierig in den Mund. Die ersten paar Züge taten ihr weh, doch bald verflog das Unwohlsein und wich einer tief empfundenen Zufriedenheit. Als sie ihr Kind so an sich drückte, hatte die junge Frau das Gefühl, dass nichts auf der Welt ihr etwas anhaben konnte.
    »O mein kleiner Gaby! Vergib mir, mo cri «, versuchte sie sich auf Gälisch. ( Mo chridh’ àghmor, hatte Alexander sie immer genannt.) »Wie konnte ich nur…«
    Tränen liefen über ihre Wangen und tropften in den Haarschopf ihres Sohnes. Ein tiefes Schluchzen stieg aus ihrer Brust auf; sie
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