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Highland-Saga 03 - Schild und Harfe

Highland-Saga 03 - Schild und Harfe

Titel: Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
Autoren: Sonia Marmen
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ihre Brüste zu schmerzen begannen. Sie stand auf und verließ die Küche, um auf ihr Zimmer zu gehen.
    Strahlender Sonnenschein strömte in den weitläufigen Raum, den Pierre für sie hatte einrichten lassen. Er war mit gut gearbeiteten Möbeln ausgestattet und bot alle Annehmlichkeiten. Das mit vielen Kissen geschmückte Bett war so weich, wie man es sich nur wünschen konnte, und erinnerte sie an ihre Kindheit. Immerhin hatte sie es noch nicht mit ihrem Gatten teilen müssen, der ihr Zeit ließ, sich von der schweren Geburt zu erholen. Doch nach den Blicken zu urteilen, die er ihr seit einigen Tagen zuwarf, vermutete sie, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis er an ihre Tür klopfte.
    Sie setzte sich auf den Schemel vor dem Frisiertisch, über dem ein Spiegel angebracht war. Dann stellte sie eine Schüssel auf ihre Knie, befreite ihre schmerzenden Brüste aus ihrem Korsett und massierte die eine, wie Madame Chicoine es ihr gezeigt hatte. Die Milch spritzte zwischen ihren Fingern hervor wie der Saft aus einer reifen Frucht und verdeckte nach und nach das Muster in der Fayence-Schale. Sie weigerte sich zwar einerseits, Gabriel zu stillen, hatte aber ihre Brust auch nicht abbinden wollen, um das Einschießen der Milch zu verhindern.
    Die junge Frau hatte die Monate, die auf ihre Hochzeit gefolgt waren, wie einen Traum erlebt, aus dem sie irgendwann in Alexanders Armen erwachen würde. Die Schmerzen der Geburt hatten sie aus ihren Tagträumen gerissen und sie brutal in die Wirklichkeit zurückgeholt, aus der sie so verzweifelt zu fliehen suchte. Nicht Alexander hatte an diesem Tag in ihren Armen gelegen, sondern ein kleines, schreiendes und strampelndes Bündel, das der Grund für all ihr Unglück war. Indem sie das Kind zurückwies, konnte sie eine Distanz zu allem wahren, was sie enttäuscht hatte und ihr Schmerz bereitete.
    Seitdem wurde ihr das Leben immer mehr zur Last. Alles schien ihr zu anstrengend zu sein. Die kleinste Handlung lag vor ihr wie ein Berg, den sie erklimmen musste und der täglich steiler wurde. Sie spürte, wie ihre Kräfte schwanden und ihr Mut sie verließ. Das Leben hatte einen sauren Geschmack angenommen, der ihr bei jedem Atemzug die Kehle verätzte, sie von innen auffraß und eine große Leere hinterließ, in der sie nur das Schreien des kleinen Wesens hörte, das sie auf die Welt gebracht hatte.
    Merkwürdigerweise schmerzte es sie immer mehr zu sehen, wie eine Fremde ihrem Sohn die Brust gab. Widerstreitende Gefühle rangen in ihr. Sie hatte sich bemüht, dem Weinen ihres Kindes gegenüber gleichgültig zu bleiben, doch ohne Erfolg. Von Tag zu Tag fiel es ihr schwerer. Wenn sie geglaubt hatte, sie könne den Vater vergessen, indem sie sein Kind ignorierte, dann hatte sie sich vollständig geirrt.
    Hatte sie das Recht, Gabriel für ihr eigenes Leiden zu bestrafen? War es gerecht, ihn zum Sündenbock zu machen und all ihren Hass, all den Groll, den sie gegen ihre Mutter, ihren Vater, gegen Pierre und Alexander hegte, auf ihn zu häufen? Gabriel hatte schließlich nichts verbrochen; er war ein unschuldiges Kind!
    Die Hand auf ihre schmerzende Brust gelegt, musterte sie das Bild, das der Spiegel ihr zurückwarf. Mit dem glanzlosen Haar, dem leeren Blick und der aschfahlen Haut hatte sie nicht die geringste Ähnlichkeit mehr mit jener sorglosen, lebenslustigen jungen Frau, die sie einmal gewesen war. Doch das Gesicht, das sie heute sah, kam ihr ebenfalls bekannt vor. »Du ähnelst ihr so sehr…«, hatte ihr Vater gesagt. Die Erkenntnis überkam sie wie ein Schlag; sie fuhr zusammen und hätte beinahe die Schüssel mit ihrem kostbaren Inhalt fallen lassen. Das, was sie sich bis jetzt nicht hatte eingestehen wollen, traf sie wie eine Ohrfeige. Dieser Blick, der ihr entgegensah, diese feinen Züge, die von dem sevillanischen Blut auf dieser Seite der Familie herrührten, diese stolze Haltung des Kopfes und der anmutige, sanft geschwungene Hals … Ihre Mutter. Du ähnelst ihr so sehr  …, hörte sie wieder die Stimme ihres Vaters, kurz vor seinem Tod.
    »Nein!«, schrie sie und sprang auf.
    Die Schüssel zerschellte zu ihren Füßen auf dem Parkett. Sie sah zu, wie die weißliche Flüssigkeit sich inmitten der Scherben über die Maserung des Holzes ausbreitete.
    »Nein, ich bin nicht wie sie! Niemals werde ich so sein!«
    Verzweifelt bedeckte sie die Brüste, aus denen die Milch herausrann, mit den Händen. Sie hörte das schrille Geschrei des hungrigen Säuglings, der nach ihr rief,
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