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Hier kommt Hoeneß!

Hier kommt Hoeneß!

Titel: Hier kommt Hoeneß!
Autoren: Pattrick Strasser
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suchen sie in Belgrad wohl heute noch«, ist einer von Beckenbauers Lieblingswitzen. In einem ehrlichen Moment aber gestand er Hoeneß gegenüber: »Ich bin ja sogar froh, dass du den Ball verschossen hast, weil ich nach dir drangekommen wäre.« Viele Jahre später konnte auch der Versager von 1976 über die Schmach lachen, er konterte bei einem Uefa-Cup-Spiel des FC Bayern vor Ort in Belgrad im Herbst 2007: »Den Ball hat man kürzlich bei den Aufräumarbeiten nach dem Balkankrieg wiedergefunden.«
    1974 hatte Uli Hoeneß nicht für den Schlusspunkt, sondern auch für die unglückliche Ouvertüre eines bedeutenden Spiels gesorgt, indem er einen Elfmeter verursachte. »Die schrecklichste Nacht meines Lebens«, wie er sagt, musste er vor dem WM-Finale am 7. Juli 1974 im Münchner Olympiastadion gegen die Niederlande durchmachen. Ausgerechnet vor dem wohl größten Spiel seines Lebens litt er an einem fiebrigen Infekt – 39 Grad Fieber, Schüttelfrost und Schweißausbrüche. In seinem Hotelzimmer wechselte er mehrmals den Schlafanzug und wendete die Matratze. Trainer Helmut Schön sagte Hoeneß nichts, aus Angst, nicht dabei sein zu dürfen. Er schwindelte sich also ins Finale, und sein Plan ging auf. Hoeneß durfte spielen, die Ärzte merkten nichts. Das bisschen Fieber hätte ja auch Lampenfieber sein können.
    Das Unglück kommt in Gestalt des niederländischen Kapitäns Johann Cruyff auf Uli Hoeneß zu, schon zwei Minuten nach dem Anpfiff. Unaufhaltsam führt der Oranje-Spielmacher den Ball von der Mittellinie wie einen Hund an der Leine bis in den Strafraum der Deutschen, er wird dabei von Berti Vogts verfolgt, als wäre er Cruyffs Leibwächter. Im Strafraum angekommen, übernimmt dann Hoeneß und foult den Eindringling – Elfmeter. Die Deutschen hatten den Ball noch nicht wirklich berührt und lagen schon 0 : 1 hinten, Schuld hatte Hoeneß. Doch sein Kumpel Breitner und später Gerd Müller schafften die Wende und erlösten ihn – 2 : 1. Der Weltmeistertitel 1974. Für Hoeneß der größte Erfolg seiner Karriere als Nationalspieler.
    Wenige Wochen zuvor – und das ist der dritte, jedoch freudigste Moment in seiner Zeit als Spieler – hatte er den für ihn wichtigsten Titel als Bayern-Profi erreicht. Den wertvollsten jener drei Serientriumphe im Europapokal der Landesmeister ab 1974, weil es der erste war und weil Hoeneß den größten Beitrag geliefert hatte. Im Finale in Brüssel gegen Atletico Madrid zeigte er der Welt, was Schnelligkeit und Coolness bedeuten. Mit dieser Mischung erzielte er das 1 : 0. Einen Pass von Breitner aus der eigenen Hälfte nimmt Hoeneß auf, sprintet auf den Atletico-Torwart zu und schiebt dem Spanier den Ball elegant durch die Beine. Zwischendrin trifft – natürlich – Gerd Müller zweimal. Die Krönung ist jedoch das 4 : 0, wohl das schönste Tor in Hoeneß’ gesamter Karriere. Nach einem Fehler der Spanier erhält Hoeneß an der Mittellinie den Ball und startet ein Solo, begleitet von ARD-Kommentator Oskar Klose, der seine sonst stets vornehme Zurückhaltung in diesem Moment völlig vergisst: »Hoeneß – ein Mann noch, einer ist bei ihm. An dem muss er noch vorüber, der Zweite kommt. Jetzt legen sie ihn um. Nein, er macht sie alle fertig.« So war es.
    Und das holt sich Hoeneß immer wieder in Erinnerung. Es ist das einzige Spiel, das er sich alle paar Jahre einmal auf Video anschaut und dabei »heute noch Gänsehaut bekommt«. Es ist der bedeutendste Moment während seiner Bayern-Zeit als Aktiver. »Als ich damals in der Kabine saß, habe ich mir gedacht: Wenn man das Leben anhalten könnte und Glück spüren – da hatte ich es.«
    Das Glück von Brüssel im Mai 1974, das süß-saure Erlebnis WM-Finale im Juli desselben Jahres in München, zwei Jahre später der Moment der Wahrheit beim Elfmeterschießen in Belgrad. Es sind bis heute diese drei Momente, welche die aktive Fußballerkarriere von Uli Hoeneß nachhaltig geprägt haben.
    Wegen jenes Treffers gegen Atletico Madrid und vieler anderer gleicher Bauart wurde Hoeneß in den 1970er-Jahren der Titel »Jungsiegfried« verliehen, die blonden, kaum zu bändigenden Locken und die hohe Stirn waren sein Markenzeichen. Sepp Maier freut sich heute noch über die Sorge, die ihn als Torwart damals umtrieb: »Wenn er da rechts außen mit seiner roten Birne über den Platz gehetzt ist, dachte ich oft: Jetzt platzt er gleich.« Zur WM 1974 widmete die Deutsche Post Uli Hoeneß eine Sonderbriefmarke aus der Serie
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