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Hier kommt Hoeneß!

Hier kommt Hoeneß!

Titel: Hier kommt Hoeneß!
Autoren: Pattrick Strasser
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gerade er es war. Seitdem hat sich auch seine Einstellung verändert, wie er im Jahr 2003 einmal verriet: »Es war eben der Punkt in meinem Leben, an dem ich zu mir gesagt habe: Irgendwann zählt nicht mehr das Nehmen, sondern das Zurückgeben an die Gesellschaft.«
    Unter den Bayern-Spielern herrschte in den Tagen nach dem Absturz »tiefe Betroffenheit«, wie es etwa Verteidiger Udo Horsmann ausdrückte, die Stimmung beim Training war komplett am Boden. Keine ideale Vorbereitung für das Prestigeduell im DFB-Pokal am Samstag darauf bei Werder Bremen. Und da gab es noch ein Problem: Kaum einer aus der Mannschaft und dem Betreuerstab wollte mehr in ein Privatflugzeug steigen. Also buchten die Bayern kurzfristig auf eine Linienmaschine nach Bremen um. Ab sofort wollte man sich wohl nur noch Berufspiloten anvertrauen – zumindest in den ersten Wochen und Monaten nach dem Absturz. In Bremen schien eine schlimme Niederlage vorprogrammiert. Vom Telefon am Krankenbett aus forderte Hoeneß: »Tut alles, damit ihr das Halbfinale um den DFB-Pokal erreicht.«
    Vor dem Anpfiff sagte Breitner: »Es ist keine Partie wie jede andere. Wir alle spüren eine gewisse innere Verpflichtung.«
    Doch die Mannschaft stand unter Schock – und siegte dennoch nach Verlängerung mit 2 : 1. Ausgerechnet Breitner schoss beide Tore. Heute noch spricht er davon, dass er damals eines seiner besten Spiele für den Verein gemacht habe, und dies aus gutem Grund: »Wir haben in erster Linie für ihn gekämpft und gesiegt. Meine beiden Treffer waren mein persönliches Geschenk und sicher die beste Medizin, um Ulis Genesung zu beschleunigen. Wäre ich Einzelsportler gewesen wie beispielsweise ein Tennisspieler – mir wäre an dem Samstag alles wurscht gewesen. Aber so war ich dem Verein und auch meinen Kollegen gegenüber verantwortlich.«
    Die 5000 DM Siegprämie waren keine Genugtuung, Breitner hatte andere Sorgen: »Ich war nur noch eines: müde.« Denn Ulis bester Kumpel hatte kaum geschlafen seit Mittwochabend, seit Bernd Schröder während des Länderspiels gegen Portugal an die Seitenlinie gestürmt war.
    Während seiner Abwesenheit übernahm Präsident Willi O. Hoffmann Hoeneß’ Aufgaben als Manager, er sollte die Geschicke des Klubs vorerst gemeinsam mit Geschäftsführer Walter Fembeck lenken. »Wir haben immer eng zusammengearbeitet, sodass ich in die laufenden Angelegenheiten eingeweiht war«, sagt Hoffmann später. Allerdings sei seine Sorge gewesen, dass doch ein »kleines Vakuum« hätte entstehen können hinsichtlich neuer Aktivitäten im Bereich Werbung. Aber Breitner beobachtete genau, was passierte. Weil Hoeneß’ Sekretärin gerade Urlaub auf Gran Canaria machte, wurde er persönlich zum Aufpasser, ungebetene Gäste durften nicht ins Büro an der Säbener Straße. Vor allem niemand, der womöglich das Manageramt übernehmen wollte. »Er hat sie alle weggebissen«, erinnert sich Hoeneß, »diese Erlebnisse haben uns zusammengeschweißt.«
    Vier bis sechs Wochen sollte die Schreibtischsperre für Hoeneß andauern. Am 23. Februar lautete die Schlagzeile der »Abendzeitung« auf Seite 6: »Uli Hoeneß managt im Bett, Paul Breitner hilft im Büro«. Dem Reporter sagte Hoeneß: »Den 17. Februar feiere ich ab jetzt als zweiten Geburtstag.« Doch viel Zeit für Sentimentalitäten nahm er sich nicht, fügte fast im selben Atemzug hinzu: »Ich möchte so schnell wie möglich wieder arbeiten. Das Leben freut einen nun umso mehr. Außerdem habe ich bei allem Unglück die positive Erfahrung gemacht, dass ich doch eine Menge echter, guter Kumpel habe.«
    Auf dem Nachtkästchen an seinem Bett auf Station H21, Zimmer 112 des Klinikums Großhadern standen Blumen, Obst und ein paar aufmunternde Karten. Und natürlich ein Telefon. Zum Arbeiten. Nur etwa jeder zehnte Anruf war privat. Etwa der: »Ja, servus, Uli, der Sepp ist hier. Kann man dich besuchen?« – »Freilich, gerne, komm vorbei!« Torhüter Maier fuhr sofort hin. »Ich wollte unbedingt, hatte das Gefühl, das machen zu müssen.« Auch weil er sich daran erinnerte, wie sich Hoeneß nach Maiers Autounfall 1979 eine Woche lang um ihn gekümmert hatte. »Als ich dort war und ihn im Bett sitzen sah, war ich erleichtert. Der Uli hatte ein blaues Auge – sonst nichts. Und was machte er? Telefonieren! Da wusste ich: So schlimm kann’s also nicht sein.« Hoeneß zog sich an, und sie verließen gemeinsam das Klinikumgelände, weil sie Lust hatten auf Weißwürste gegenüber in einer kleinen
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