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Hier kommt Hoeneß!

Hier kommt Hoeneß!

Titel: Hier kommt Hoeneß!
Autoren: Pattrick Strasser
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hatten für Breitner am Abend zuvor irgendwann keinerlei Bedeutung mehr. »Es sind etwa 60 Minuten gespielt, da registriere ich plötzlich, wie jemand an der Außenlinie herumrennt, hektisch winkt und schreit. Ich denke mir, wer führt sich denn da so auf? Von Weitem sehe ich, dass der Kerl keinen Trainingsanzug trägt, eher einen Trenchcoat. Ich laufe zur Außenlinie, auf einmal erkenne ich ihn. Ja, spinn ich, das ist doch der Bernd, der da an der Aschenbahn entlangturnt, direkt neben dem Linienrichter«, erinnert sich Breitner. Dieser Bernd, das ist Bernd Schröder, ein Unternehmer und gemeinsamer Freund von Hoeneß und Breitner aus München. Schröder brüllt zu Breitner herüber: »Der Uli ist abgestürzt mit seiner Propellermaschine, wahrscheinlich sind alle Insassen tot.« Das Spiel läuft weiter, Breitner muss seine Position halten, informiert jedoch Rummenigge. »Ich bin danach nur noch schwindlig und in Gedanken versunken auf dem Platz umhergeirrt, eigentlich hab ich gar nicht mehr mitgespielt«, erzählt Breitner. Zehn Minuten später die nächste Info von der Aschenbahn: »Drei Tote! Einer soll überlebt haben – mehr wissen wir noch nicht.« Eine Auskunft, die Hoffnung beinhaltet, aber im Grunde noch schlimmer ist. Was, wenn ...? Was, wenn ausgerechnet der Freund ...? Was, wenn der eine der vier ...? Abgehakte Gedanken schwirren durch Breitners Kopf, lähmen ihn, aber seine Beine laufen profigemäß einfach weiter. »Als ich einen klaren Gedanken fassen kann, renne ich zu Bernd und sage: ›Kümmer dich um einen Polizeiwagen, damit wir gleich nach dem Schlusspfiff los können.‹ Die letzten Minuten habe ich nur noch auf die Stadionuhr geschaut.« An das geplante und für die Nationalspieler eigentlich obligatorische Festbankett im Hannoveraner Ratskeller verschwenden Breitner und Rummenigge in dieser Nacht keinen Gedanken mehr.
    Mittlerweile hatte auch Bundestrainer Jupp Derwall mitbekommen, dass etwas nicht stimmte. Er erkundigte sich und wollte Breitner auswechseln – immerhin lief ja vor Millionen von Zuschauern noch ein Länderspiel. Aber Breitner lehnte ab. »Ich war paralysiert, das war mir auch schon egal. Die letzten Minuten habe ich mich nur an der Linie aufgehalten, von der aus ich möglichst schnell zu den Kabinen laufen konnte.« Eine letzte Anweisung noch an Rummenigge: Er sollte Interviews geben, nichts sagen, eine Routinenummer abziehen. Breitner wollte einen Reporterauflauf im Krankenhaus Hannover-Nordstadt vermeiden. Dann endlich der Schlusspfiff. »Ich bin gerannt wie ein Wahnsinniger«, erinnert sich Breitner, »habe mich auf der Treppe zu den Kabinen im Laufen beinahe komplett ausgezogen.« Drei Minuten später saß er verschwitzt im Auto, neben ihm Bernd Schröder. Der Polizist startete den Wagen – ab ins zehn Kilometer entfernte Krankenhaus. Auf der Fahrt bekamen sie die nächste Info: Der Name des Überlebenden war Uli Hoeneß. 20 Minuten später erreichten sie das Hospital, es war jetzt 22.50 Uhr. Just in dem Moment, als sie eintrafen, trugen Sanitäter den Schwerverletzten auf einer Trage Richtung Eingang der Intensivstation. Hoeneß hatte die Augen geöffnet, da stürzte Breitner auf ihn zu, berührte ganz vorsichtig sein blutverschmiertes Gesicht und schrie ihn an: »Uli, Uli, hörst du mich?« Hoeneß bewegte nur lautlos die Lippen.
    Wenig später erreichte Karl-Heinz Rummenigge im Trainingsanzug das Krankenhaus Nordstadt. Er traf dort auf Paul Breitner, der auf einem Stuhl im Gang der chirurgischen Ambulanz saß und eine Zigarette nach der anderen rauchte. Sie durften in das Zimmer von Chefarzt Dr. Ottmar Trentz, bekamen Kaffee angeboten. Obwohl Rummenigge nicht so eng mit Hoeneß befreundet war wie Breitner, übermannten ihn die Gefühle. Er weinte. Erst aus Verzweiflung, dann aus Erleichterung, weil Chefarzt Trentz nach Mitternacht aus der Intensivstation kam und verkündete, dass Hoeneß auf jeden Fall durchkommen werde. Die Diagnose lautete: Querfortsatzbrüche an der Lendenwirbelsäule, eine Gehirnerschütterung sowie eine linksseitige Lungenquetschung, Frakturen am Oberarm und Knöchel, zudem ist Blut in die Lunge geraten. Aber eine weitere Operation war nicht notwendig. Trentz: »Herr Hoeneß kann sich an den Hergang des Absturzes überhaupt nicht mehr erinnern.«
    Nun war es an der Zeit, Hoeneß’ Ehefrau Susi per Telefon zu informieren. Breitners Frau Hildegard war zur Familie Hoeneß nach Hause geeilt, um sie zu trösten. Da es zu spät war, um noch nach
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