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Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 4

Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 4

Titel: Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 4
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Inhalt
    Dampfkutter-Pilotinnen weinen nicht.
    Katherine Fenton hatte sich fest vorgenommen, die Kontrolle über ihre Tränendrüsen zu behalten. Die junge Frau mit den roten langen Korkenzieherlocken war schließlich nicht irgendein Dienstmädchen, das bei der Lektüre eines herzzerreißenden Schmonzetten-Romans die Schleusen der eigenen Empfindsamkeit öffnete.
    Nein, Katherine hatte den Ruf, ruppig zu sein, und war sehr stolz darauf. In ganz London war sie unter ihrem Spitznamen Tinker-Kate berühmt-berüchtigt. Sie wurde so genannt, weil sie eine dampfbetriebene Flugmaschine nicht nur steuern, sondern auch höchstpersönlich reparieren konnte. Und bei dieser Tätigkeit musste sie schon gelegentlich einen Dampfkessel mit einem Gummihammer ausbeulen oder flicken – „to tinker“ wie man in London sagte.
    Stolz trug Kate die Lederschürze einer Dampfkutter-Pilotin – die typische Tracht ihrer Zunft – über ihrem einfachen blauen Krinolinen-Leinenkleid. Auch eine Schutzbrille gegen den Fahrtwind zählte zu ihrer Ausrüstung. Es war im Jahr 1851 höchst ungewöhnlich, dass sich Damen als Passagierinnen eines Dampfkutters oder Luftschiffs in den Himmel erhoben. Eine Frau im Führerstand eines Drehflüglers – so etwas hatte absoluten Seltenheitswert. Daher war Kate bekannt wie ein bunter Hund.
    Doch nur wenige Menschen in der riesigen Stadt wussten, dass Kate neuerdings auch noch Geheimpolizistin war. Sie hatte ihrem Vorgesetzten Inspektor Henry Williams bei Scotland Yard versprechen müssen, über ihre Tätigkeit absolutes Stillschweigen zu bewahren. Noch nicht einmal ihr Verlobter James Barwick wusste davon, obwohl sie an seiner Seite schon furchtlos gegen eine hinterhältige Vampirsippe gekämpft hatte.
    Und James Barwick war auch der Grund dafür, dass Kate an diesem klaren Frühherbstmorgen die aufsteigende Tränenflut in ihrem Inneren zurückhalten musste.
    James hielt Kate an den Oberarmen. Er schaute sie mit seinen schönen braunen Augen eindringlich an. „Du kannst dir denken, dass ich dir über meine Reise nichts erzählen darf, Kate.“
    Sie nickte tapfer. Kate wusste nur, dass ihr Verlobter ein Mitglied der Bruderschaft vom Reinen Herzen war. Diese Geheimgesellschaft hatte es sich zum Ziel gesetzt, das Böse in der Welt zu bekämpfen – egal, ob es nun von Menschen oder von dämonischen Kräften verursacht wurde. Da Kate selbst nicht zu den Auserwählten gehörte, musste James sie über seine Aufträge im Unklaren lassen. Zwar hatten sie sich bei einer solchen riskanten Mission kennengelernt, aber deshalb wurde sie noch lange nicht in die Bruderschaft aufgenommen. Kate wusste gar nicht, ob es überhaupt Frauen in den Reihen der geheimnisvollen Kämpfer gab.
    Und sie hätte auch nicht sagen können, ob sie überhaupt zu der Bruderschaft gehören wollte. Kate war gerne ihre eigene Herrin. Sie war daran gewöhnt, sich ihren Lebensunterhalt als eine Art fliegende Droschkenkutscherin zu verdienen. Daran änderte nämlich auch ihre Verpflichtung bei Scotland Yard nichts. Die Polizeibehörde nahm Kates Dienste nur für ganz bestimmte Spezialaufträge in Anspruch.
    Kate und James standen inmitten der Qualmwolken, die von der unter Dampf stehenden Lokomotive des Schnellzuges London–Birmingham über den Bahnsteig der Waterloo Station getrieben wurden. Obwohl seit einigen Jahren auch Luftschiffe alle größeren britischen Städte ansteuerten, nahm Kates Verlobter für seine Reise lieber die Eisenbahn. James war als junger Anwalt nicht gerade vermögend. Und obwohl er stets gut gekleidet war, konnte er doch nicht das Geld mit beiden Händen zum Fenster hinaus werfen.
    An diesem Tag trug er einen braunen Tweedanzug mit Knickerbockers, darüber eine grüne Reisepelerine und eine Melone auf dem Kopf. Neben ihm stand seine karierte Reisetasche.
    „Hast du ein Taschentuch?“, fragte Kate, um etwas zu sagen. In Wahrheit wollte sie nur ausprobieren, ob ihre Stimme überhaupt noch ihren Dienst verrichtete. Es klappte ganz gut. Allerdings fühlte es sich so an, als ob Kate einen dieser roten Backsteine quer in der Kehle stecken hätte, aus denen das Wellington Hotel errichtet worden war.
    James klopfte lächelnd auf seine Jackettasche.
    „Von dir höchstpersönlich gebügelt, Darling“, erwiderte Kates Verlobter. Die Wärme in seiner Stimme tat Kate so gut wie eine heiße Schokolade mit einem Schuss Rum an einem eiskalten Wintertag. Der Abschied fiel ihr immer schwerer, je länger er dauerte. Das spürte sie
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