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Hier kommt Hoeneß!

Hier kommt Hoeneß!

Titel: Hier kommt Hoeneß!
Autoren: Pattrick Strasser
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Hannover zu fliegen, musste Frau Hoeneß auf die erste Frühmaschine am nächsten Tag warten.
    Gegen drei Uhr fuhr Rummenigge dann zurück ins Mannschafts-hotel, Breitner blieb im Krankenhaus. Die ganze Nacht, in der Hoeneß künstlich beatmet wurde, wachte er am Krankenbett seines Freundes. Ulis Bruder Dieter kümmerte sich unterdessen um ihre Eltern. Zum Glück hatten sie, die gerade Urlaub im österreichischen Seefeld machten, nicht aus der Zeitung oder dem Radio vom Flugzeugabsturz erfahren. Dieter Hoeneß: »Ich habe sie Donnerstagmorgen angerufen und es ihnen schonend beigebracht. Die Mutter war dennoch völlig fertig mit den Nerven.«
    Am Donnerstag kam auch Susi Hoeneß im Krankenhaus an. Rein äußerlich sah ihr Mann eher aus, als hätte er eine Kneipenschlägerei hinter sich und keinen Flugzeugabsturz. Das linke Auge war wie für einen Faschingsball geschminkt, er hatte ein dickes Veilchen. Doch Hoeneß hatte auch Schmerzen, Stiche in der linken Lungenhälfte. Viel schlimmer war für ihn aber der Verlust eines Freundes, wie er Susi und seinen Freunden gestand: »Eigentlich fühle ich im Moment nur einen unwahrscheinlichen Schmerz wegen des Todes von Helmut Simmler, der ein echter Freund war.«
    Paul Breitner kümmerte sich unterdessen um alles Wichtige, er wollte die rasche Verlegung von Hoeneß ins Klinikum Großhadern in München zu Professor Heberer für Freitagvormittag veranlassen. Doch da gab es ein Problem. Wie sollte Hoeneß nach München gebracht werden? Im Auto? Mit den Verletzungen und den Schmerzen? Im Flugzeug? Nur eineinhalb Tage nach dem Absturz – unmöglich. Aber Breitner hatte einen Plan. »Ich organisierte eine Cessna 441, sagte aber Uli nichts davon. Wir fuhren dann zum Flughafen, seine Frau Susi war auch dabei, und sind zusammen aufs Rollfeld raus. Ich musste Uli ein wenig stützen, er konnte nicht schmerzfrei gehen, war etwas wacklig.«
    Sie näherten sich zwei Maschinen, einem kleinen Düsenjet und einer Propellermaschine ähnlichen Typs wie die Piper-Seneca. Nun kam der Moment, in dem sich die gesamte weitere Managerkarriere von Hoeneß entscheiden sollte. Wie würde er seinen Job weiter ausüben können, wenn er wegen des Absturzes nicht mehr in der Lage wäre, jemals wieder ein Flugzeug zu besteigen? Ein Scheideweg tat sich auf, mitten auf dem Rollfeld. Eine entscheidende Kreuzung im Leben. Ein Moment, in dem man einen echten Freund an seiner Seite braucht.
    »Er hatte nur eine Chance«, sagt Breitner später, »ich wollte, dass er das so schnell wie möglich verarbeitete. Er ging zur Düsenmaschine hinüber, aber ich schob ihn, ohne etwas zu sagen, zur Propellermaschine.«
    Hoeneß blieb stehen, nur wenige, aber ewig anmutende Sekunden. Er musste fliegen. Konnte er sich überwinden? Er konnte. Gemeinsam mit seiner Frau stieg er ein und flog nach Hause, Breitner fuhr mit dem Auto zur Mannschaft nach Bremen und telefonierte dann Hoeneß hinterher. »Ich war erst beruhigt, als ich erfuhr, dass er gesund gelandet war. Also, ein Hund is’ er scho’, der Uli, wie man in Bayern sagt, ich würde mich nicht mehr in so eine Maschine setzen.«
    »Ich wusste, dass er im umgekehrten Fall genauso gehandelt hätte, wir haben uns blind verstanden«, so Breitner im Rückblick. In München angekommen, wurde Hoeneß von Tochter Sabine (6) abgeholt, die mit Verwandten zum Flughafen gekommen war und dem Papa ein paar Bilder gemalt hatte. Sie überreichte ihm die Kinderkunstwerke und staunte über den Gehgips am rechten Fuß. Nach der Landung sagte Hoeneß zu Journalisten: »Der Schock kann noch kommen.« Es klang, als würde er darauf warten. An den Absturz selbst, die Rettung durch Jäger Deppe und seine erste Nacht im Krankenhaus hat er bis heute keinerlei Erinnerung, weil er ja tief geschlafen hatte während des Fluges. »Als ich aufgewacht bin, saßen meine Frau und der Paule an meinem Krankenbett. Es ist wohl besser so, dass ich mich nicht mehr erinnern kann. Sonst würden mich diese schlimmen Szenen nie mehr loslassen.«
    Ganz verdrängen will er jene Nacht allerdings nicht. Deshalb liegen Fotos aus Zeitungen der Tage nach diesem 17. Februar 1982 in seinem Büro – nicht an der Säbener Straße, zu Hause an seinem Wohnsitz am Tegernsee. Ab und zu, gibt er zu, wirft er einen Blick darauf. Und dann wird ihm ganz anders. Er ist sich bewusst, dass er im Grunde keine Chance gehabt hatte zu überleben. Kaum zu glauben, dass überhaupt jemand aus dem Wrack lebend herausgekommen ist – und dass
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