Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
HHhH

HHhH

Titel: HHhH
Autoren: Binet Laurent
Vom Netzwerk:
der sich Hunderte SS-Männer zusammengerottet haben. «Man wird euch wie Kriegsgefangene behandeln.» Außerdem führen ein paar Treppenstufen zu einer zugemauerten Tür hinauf, doch selbst wenn es gelänge, diese zu durchbrechen, käme man nur im Kircheninneren heraus, wo es von Deutschen nur so wimmelt. «Die hier sagen mir, ihr sollt euch ergeben. So richte ich es euch also aus. Sie sagen, es wird euch nichts geschehen, und man wird euch wie Kriegsgefangene behandeln.» Die Fallschirmspringer erkennen Priester Petřeks Stimme, der sie in seiner Kirche aufgenommen und versteckt hat. Einer von ihnen ruft zurück: «Wir sind Tschechen! Wir werden uns niemals ergeben! Hört ihr? Niemals!» Es war sicherlich nicht Gabčik, der das rief, denn er hätte sich etwas präziser ausgedrückt: «Tschechen und Slowaken»; meiner Meinung nach war es Valčík. Dann wiederholt jemand: «Niemals!», und bekräftigt die Aussage mit einer Gewehrsalve. Das scheint mir schon eher Gabčiks Stil zu sein (doch die Wahrheit ist, dass ich keine Ahnung habe).
    Die Situation ist immer noch verfahren. Niemand kommt in die Krypta hinein, niemand kann hinaus. Draußen dröhnt in einer Endlosschleife aus den Polizeilautsprechern, falls sie sich nicht ergeben sollten, würde man die ganze Kirche zerstören, und sie würden in den Trümmern umkommen. Auf jeden neuen Durchlauf antworten die Fallschirmspringer in der Krypta mit Gewehrfeuer. Der Widerstand drückt sich auch ohne Worte mit einer beeindruckenden Eloquenz aus. Draußen werden die aufgereihten SS-Männer aufgefordert, sich freiwillig zu melden, um in die Krypta hinunterzusteigen. Niemand rührt sich. Der Kommandant wiederholt seinen Befehl in bedrohlicherem Ton. Einige Soldaten treten mit aschfahlem Gesicht vor. Einige weitere werden zwangsweise zum Mitmachen verdonnert. Erneut wird ein Mann herausgepickt, der sich durch die Falltür Zugang zur Krypta verschaffen soll. Es folgt dieselbe Bestrafung: gezielte Schüsse in die Beine, fürchterliches Geschrei, ein weiterer verkrüppelter Herrenmensch. Wenn die Fallschirmspringer gut mit Munition eingedeckt sind, kann sich das Ganze noch hinziehen.
    Die Wahrheit ist, dass ich die Geschichte einfach nicht beenden möchte. Am liebsten würde ich den Moment ewig hinauszögern, in dem die vier Männer in der Krypta beschließen, sich nicht zu ergeben und einen Tunnel zu graben. Sie stellen fest (mit welchen Hilfsmitteln, weiß ich nicht), dass die Mauer unterhalb des oberlichtartigen Lüftungsspalts und unterhalb der Straßenebene aus bröckeligen Backsteinen besteht, die sich leicht herauslösen lassen. Vielleicht gibt es doch noch einen Weg, wenn wir uns da hindurchgraben können. Hinter der brüchigen Backsteinmauer stoßen sie auf lockeres Erdreich und verdoppeln ihre Anstrengungen. Wie weit es wohl ist, bis sie die Kanalisation erreichen, einen Abwassertunnel, einen Weg, der zum Fluss führt? Zwanzig Meter? Zehn Meter? Weniger? Draußen stehen die siebenhundert SS-Männer mit dem Finger am Abzug. Sie sind gleichzeitig aufgepeitscht und wie versteinert im Angesicht der verzweifelten Verwegenheit der vier verschanzten Männer, die sie besiegen müssen, die wild entschlossen sind und sich nicht beeindrucken lassen und die wissen, wie man kämpft. Im Übrigen weiß man draußen nicht, wie viele Männer die Krypta verteidigen – es scheint, als könnten sich dort drinnen ganze Bataillone versteckt halten (die Krypta ist ganze fünfzehn Meter lang)! Draußen rennen alle wild durcheinander, und Pannwitz erteilt Befehle. Drinnen gräbt man mit dem Mut der Verzweiflung. Vielleicht geht es einfach nur darum zu kämpfen, um gekämpft zu haben, und sonst um nichts, vielleicht glaubt niemand an den irrwitzigen und wahnsinnigen Fluchtplan wie aus einem schlechten Film, doch ich glaube daran. Die vier Männer graben. Ob sie sich dabei abwechseln, während auf der Straße Feuerwehrsirenen herannahen? Oder vielleicht waren die Sirenen auch gar nicht eingeschaltet; ich muss mir die Zeugenaussage des Feuerwehrmannes, der diesen entsetzlichen Tag miterlebt hat, noch einmal ansehen. Ächzend gräbt sich Gabčik durch die Erde, er ist mittlerweile schweißüberströmt, nachdem er tagelang stark gefroren hat. Ich bin sicher, dass es seine Idee war, den Tunnel zu graben, so optimistisch, wie er von Natur aus ist. Und sicherlich gräbt er ordentlich mit, er erträgt Untätigkeit nicht, das fatale Warten auf ein tödliches Schicksal, ohne etwas zu tun, ohne zumindest
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher