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Hexenbräute

Hexenbräute

Titel: Hexenbräute
Autoren: Jason Dark
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eine Idee zu rund. Die Nase zu klein und nach oben gebogen, wobei die Augen ziemlich weit auseinander standen. Ihre Umgebung war recht dunkel gepudert worden. Sie bildeten innerhalb des Gesichts so etwas wie einen Blickfang.
    Sie schob den Stuhl zurück, um aufzustehen.
    In diesem Augenblick klingelte die Melodie ihres Handys. Das Gerät lag vor dem Spiegel. Abigail griff danach, drückte auf die grüne Taste und wollte sich melden.
    Dazu kam sie nicht, denn die Anruferin war schneller. »Hallo, meine Liebe, ich bin es.«
    Für einen winzigen Augenblick schrak die Schauspielerin zusammen. »Wirklich du?«
    »Klar.«
    »Und was ist...«
    »Die Zeit, meine Schöne. Die Zeit ist reif. Wirf deinen alten Kokon ab und streife einen neuen über. Er steht dir besser. Ab jetzt bist du bereit. Du wirst den anderen Menschen zeigen, wer du wirklich bist. Setze dein Zeichen!«
    »Ja, ja, aber...«
    »Bitte kein Aber, Abigail. Du musst dein Zeichen setzen. Alles andere ist unwichtig. Es geht um uns. Es geht um unsere Zukunft, wenn du verstehst.«
    Abigail holte tief Luft. Sie saß noch, aber sie kam sich vor wie auf einem Karussell. Alles drehte sich vor ihren Augen. Sogar der Spiegel schien in einer runden Tonne zu rotieren.
    Das ging vorbei. Sie wollte eine Frage stellen und wissen, ob sie überhaupt die nötige Kraft hatte. Das war nicht mehr nötig, denn die Kraft war plötzlich da. Etwas schoss durch ihren Körper. Erklären konnte sie es nicht. Sie nahm es nur hin, und sie verzog den Mund zu einem bestimmten Lächeln.
    »Es hat so lange gedauert«, sprach sie, »aber jetzt fühle ich mich sehr, sehr wohl.«
    »Gut. Aber fühlst du dich auch stark?«
    »Wie neugeboren.«
    »Dann hat die Vergangenheit ihre Pflicht getan. Du kannst dich noch erinnern – oder?«
    »Wie könnte ich das vergessen? Es war eine wunderschöne Zeit. Eine perfekte Vorbereitung.«
    »Sie wird bei dir heute schon Früchte tragen. Und wenn du damit fertig bist, weißt du, was du zu tun hast?«
    »Ich habe nichts vergessen.«
    »Dann werde ich auf dich warten und auf deine Freundin Liz...«
    »Danke, ich komme gern.«
    Abigail war zufrieden. Als sie jetzt aufstand, war sie zu einem anderen Menschen geworden. Ein Beobachter hätte erkennen können, welch eine Kraft in ihr steckte, denn das war nicht mehr der normale Gang, sondern der einer Person, die genau wusste, was sie wollte, und sich auch durch nichts aufhalten ließ...
    ***
    Shuster wartete bereits auf der Bühne. Und er war sauer, das stellte Abigail mit einem Blick fest. Das hörte sie auch, denn er schrie den Beleuchter an, der sich über ihm im Nirgendwo aufhielt.
    »Und wenn du den Scheinwerfer nur um einen Millimeter bewegst, reiße ich dir den Arsch auf!«
    »Keine Sorge, Meister, das geht schon in Ordnung!«
    »Wehe nicht.«
    Abigail war von dem Regisseur noch nicht gesehen worden. Sie hatte die Bühne aus einer Seitengasse betreten. Sie sah den großen Meister auf seinem Hocker sitzen, der so typisch für ihn war. Man konnte ihn als Melkschemel bezeichnen. Er hatte ihn unter seinen Allerwertesten geklemmt und auch festgebunden. Wenn er in die Höhe schnellte und wie ein Rasender seine Runden drehte, blieb der Hocker angeschnallt, was natürlich lächerlich aussah. Nur kannte Abigail keinen, der es gewagt hätte, offen darüber zu lachen.
    Okay, er war sauer. Vor einer halben Stunde hätten ihre Knie noch gezittert. Nun nicht mehr. Da besaß sie die innere Gelassenheit und Coolness, um über einen solchen Zustand nur grinsen zu können. Sie war »erwacht« und würde sich von keinem Menschen der Welt mehr einschüchtern lassen. Erst recht nicht von Shuster.
    Auch das Kostüm kam ihr jetzt lächerlich vor. Sie trug einen Umhang aus grobem Leinenstoff, der an einigen Stellen rot eingefärbt war. Diese Flecken sollten das Blut darstellen, das während ihrer Regierungszeit als Königin geflossen war.
    Die Bühne war recht groß. Und sie wirkte noch größer, weil es so gut wie keine Dekoration gab. Einzig und allein der ungewöhnliche Thron stand dort.
    Der umgekippte Eimer, der mehr als doppelt so groß war wie ein normaler und auch schwerer. Das Licht eines einzigen Scheinwerfers riss ihn aus der Dunkelheit hervor. Zu übersehen war er nicht, und seine Außenhaut glänzte leicht silbrig.
    Abigail Miller war den Rest des Weges mehr geschlichen. Jetzt trat sie bewusst fester auf, und das nackte Holz des Bühnenbodens erzeugte Echos.
    Shuster musste sie gehört haben. Er sprach sie auch an, nur
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