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Heute Und in Ewigkeit

Titel: Heute Und in Ewigkeit
Autoren: Randy Susan Meyers
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haben auch Henkel.«
    »Wir können nicht einfach die Augen davor verschließen, Mama«, sagte Tante Cilla. »Willst du, dass sie blind bleiben? Und hältst du es für klug, sie zu seiner Mutter zu schicken? Es tut mir leid, aber das musste mal ausgesprochen werden.«
    Vor lauter spähenden, starrenden Augen wäre ich am liebsten aus dem Haus gerannt, um irgendetwas Erstaunliches zu tun, etwa einen Ball bis nach Coney Island zu werfen oder das Lexikon auswendig zu lernen.
    Ich verstand gar nichts mehr. Oma Zelda hatte gesagt: »Vergesst nie, warum es gegen euren Vater keine Verhandlung gegeben hat, Mädchen. Er wollte den Namen eurer Mutter nicht durch den Schmutz ziehen, nur deshalb hat er sich sofort für schuldig erklärt.« Als ich das gehört hatte, hatte ich im Stillen geschrien Nichts wird das besser machen, was Daddy getan hat . Aber wenn Mimi Rubee ihn als Monster bezeichnete, zog sich mein Herz zusammen, und ich wusste nicht, warum.
    »Immerhin«, fuhr Tante Cilla fort, und ich hörte ihre Stimme wie in Zeitlupe, »kann man nie wissen. Vielleicht war das Gift ja von Zelda. Und wer weiß, wohin es als Nächstes wandert?«
    Der Mund meiner Tante sah nass und hässlich aus, und ihr orangeroter Lippenstift erinnerte mich an Schmelzkäse. »Er hätte die Todesstrafe bekommen müssen. Grillen sollten sie ihn für das, was er getan hat.«
    Merrys Schulterblätter bohrten sich in meine Knie, als sie vor Tante Cilla zurückwich.
    »Die Kinder«, mahnte Onkel Hal.
    »Die Kinder sollten Bescheid wissen. Was ist, wollen wir etwa ein Geheimnis daraus machen?« Tante Cilla beugte sich vor und drohte uns mit erhobenem Zeigefinger. »Ihr beide müsst für den Rest eures Lebens sehr genau aufpassen, was ihr tut.«
    Mimi Rubee brach wieder in Tränen aus. Sie weinte so sehr, dass ihre ganze Schminke abging und sie alt und kaputt aussah, aber Tante Cilla ritt immer weiter darauf herum, bis Onkel Hal sagte: »Das reicht jetzt.«
    »Ich vermisse Celeste«, schluchzte Tante Cilla.
    »Ich weiß, trotzdem darfst du nicht so reden«, sagte er und rieb ihr den Rücken. »Du regst alle furchtbar auf.«
    »Warum nimmst du ihn in Schutz?«
    Onkel Hal seufzte und zog die Hand weg. »Zumindest hat er uns einen hässlichen Prozess erspart.«
    »Und dafür soll ich ihm dankbar sein? Ich werde dankbar sein, wenn er tot ist. Ich will, dass er vergast wird. Ich will ihn auf dem elektrischen Stuhl sehen.«
    »Nein! IHR DÜRFT MEINEN VATER NICHT UMBRINGEN «, kreischte Merry. Sie sprang auf und bettelte Mimi Rubee an: »Ich will zu Oma Zelda. Ich will zu Daddy.« Sie lief zu Tante Cilla hinüber und trat sie vors Schienbein. »Oma wird mich zu ihm bringen, egal, was ihr sagt.«
    Alle starrten Merry an, als hätte der Stuhl gesprochen und der Teppich in der Luft zu tanzen begonnen, aber ich hatte gewusst, was kommen würde. Die liebe, nette Verpackung meiner Schwester täuschte die Leute und machte sie glauben, mehr sei nicht dran an ihr. Dabei hatte sich Merry immer näher herangeschlichen, während meine Eltern ihren letzten Streit ausgefochten hatten. Wenn Merry geschubst wurde, schubste sie irgendwann ganz sicher zurück.
    »Hör auf damit, Merry«, schrie Tante Cilla. »Hör sofort auf damit.«
    Meine Schwester ballte die Hände zu kleinen Fäusten und schlug damit gegen ihre Oberschenkel. »Du sollst aufhören. Du sollst aufhören. Du, du!« Bei jedem Wort wurde ihre Stimme lauter. »Ich will zu Daddy. Ich will ihn sehen. Ich hasse dich. Ich hasse alles hier!«
    »Sorg dafür, dass sie aufhört, Lulu.« Mimi Rubee hielt sich den Kopf und wiegte sich vor und zurück. »Sie soll sofort aufhören.«
    Ich schüttelte den Kopf und breitete hilflos die Hände aus. Sie hatten ja keine Ahnung. Merry drehte nicht oft so durch, aber wenn, dann kam nur noch Daddy an sie heran. Viel Glück, Tante Cilla.
    Merry brach zusammen, sackte auf die Knie und faltete die Hände zum Gebet. »Bitte, bitte. Bringt mich zu Daddy.«
    Es schnürte mir die Kehle zu. Der Drang, meine kleine Schwester zu trösten, kämpfte mit dem Wunsch, sie dafür umzubringen, dass sie das getan hatte – dass sie Daddy hierher in diesen Raum gebracht hatte. Jede Nacht flüsterte Merry seinen Namen, wickelte uns darin ein wie in eine Decke, ehe wir einschliefen. Ich konnte sie zu fast allem bringen, aber nicht dazu, Daddy nicht mehr zu brauchen.
    Onkel Hal hob Merry auf und tätschelte ihr den Rücken. Sie trat mit den Füßen um sich und schluchzte. Neidisch sah ich zu, wie er
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