Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Heute Und in Ewigkeit

Titel: Heute Und in Ewigkeit
Autoren: Randy Susan Meyers
Vom Netzwerk:
da, Merry.« Ich nahm ihre Hand.
    »Bist du böse auf mich?«
    »Böse auf dich?«, wiederholte ich. »Wieso das denn?«
    »Du bist so lange nicht gekommen. Und Mimi Rubee hat böse geguckt.«
    »Niemand ist böse auf dich, ganz bestimmt nicht.« Ich setzte mich auf ihre Bettkante.
    Merry rutschte näher zu mir und verzog das Gesicht, als sich die Verbände um ihre Brust bewegten. Sie trug ein dünnes Krankenhaushemd aus rosa Baumwolle, das ihren Rücken schutzlos der Welt aussetzte. Ihre Unterhose war eher grau als weiß, als trüge sie sie schon tagelang. »Ich will nach Hause.«
    »Bald«, versprach ich ihr.
    »Jetzt. Ich will jetzt nach Hause gehen. Bitte!« Merry nahm meine Hand und küsste sie.
    »Das geht nicht. Du musst noch ein bisschen warten.«
    Merry begann zu weinen. »Daddy ist böse auf mich. Er hat mir wehgetan. Das hat Mimi Rubee gesagt.«
    »Daddy hat dir nicht wehgetan, weil er wütend auf dich war.«
    »Dann weil ich böse war?«
    »Du warst nicht böse.«
    »War ich doch.« Merry zog einen Schmollmund. »Niemand will bei mir sein.«
    »Ich konnte nicht eher kommen, weil ich keine Erwachsene bin. Heute bin ich heimlich hier.«
    »Wo ist Daddy? Wo ist Mama?« Merrys Bein wippte auf und ab. »Sind sie böse auf mich?«
    »Es sind ein paar schlimme Sachen passiert, Merry.« Ich spielte am Rand der braunen Tüte herum. »Daddy war sehr wütend auf Mama.«
    »War sie böse?«
    Die Orangenmarmelade drehte sich in meinem Magen herum. »Nein, Daddy war betrunken.« Ich versuchte die Erinnerung an Mama zu verdrängen, die im grellen Licht in dem vielen Blut in der Küche lag, niemand bei ihr, Mama ganz allein auf dem Boden. Tot.
    »Schlimm betrunken?«
    Wir hatten Daddy schon öfter betrunken erlebt.
    »Ganz schlimm betrunken.« Daddys blutige Hände, blutig von Mama, blutig von Merry, blutig von seinen eigenen Wunden.
    »Und er hat mir wehgetan?«
    Ich nickte und versuchte zu sprechen, ohne zu weinen. »Er hat auch Mama wehgetan.« Hätte er auch mir etwas angetan, wenn ich in der Wohnung geblieben wäre? Wahrscheinlich. Aber vielleicht hätte ich ihn auch daran hindern können, Merry zu verletzen und Mama zu töten. Wenn ich mich nicht versteckt hätte.
    Das alles war sowieso meine Schuld. Ich hatte ihn hereingelassen.
    »Hat Daddy jetzt Ärger?«
    Ich kratzte das Wort AUFHÖREN in Großbuchstaben in meine Hand und schniefte rotzige Tränen zurück. »Großen Ärger. Er ist im Gefängnis.«
    Wir kannten Gefängnisse aus dem Fernsehen. Aus Rauchende Colts und Oskar, die Supermaus .
    »Ist Mama mit ihm im Gefängnis?«, flüsterte sie.
    Meiner Schwester die Wahrheit zu sagen, kam mir so gemein vor, wie sie zu schlagen, aber ich wusste nicht, was für eine Lüge ich ihr hätte erzählen sollen. Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Mama war verletzt. Sehr schlimm. Mama ist gestorben.«
    Merry kannte tot aus Der Zauberer von Oz . Die Böse Hexe war auch gestorben.
    Warum hatte ich so gemeine Sachen über Mama gedacht?
    Merry legte die Fingerspitzen an ihre Brust, auf die Verbände, an die Stelle, wohin Daddy das Messer gestochen hatte und wo ich ihr Herz vermutete. »Ich will Mama«, heulte Merry. Sie begann so furchtbar zu zittern, dass ich dachte, sie könnte sterben. Ich wollte nach den Schwestern rufen, aber ich hatte Angst, sie würden mich rauswerfen.
    »Ich will meine Mama«, wiederholte Merry, doch die Worte gingen fast in den Tränen unter. »Wer soll jetzt auf uns aufpassen?«
    »Ich passe auf dich auf.« Ich hob die braune Tüte hoch und legte sie aufs Bett. »Hier. Ich habe dir etwas mitgebracht.« Ich rollte den umgeknickten Rand auf, der von meinen schwitzigen Händen schon ganz zerfleddert und nass war. Ich griff hinein, holte die Wiege mit dem Püppchen heraus und legte sie ihr auf die Hand. »Du passt auf dieses Baby auf, und ich passe auf dich auf.«
    Dann stieg ich ins Bett und legte mich neben Merry. Sie konnte sich nicht auf die Seite drehen und sich an mich kuscheln, wie wir es sonst machten, wenn wir Angst hatten, also legte sie den Kopf auf meine Schulter, genau, wie sie es bei Daddy immer tat.

3
Lulu: 197 2
    in dünner Flaum aus Gras wuchs auf Mamas Grab. Der Grabstein sollte gleich enthüllt werden. Obwohl Mimi Rubee uns erklärt hatte, dass Juden die Grabsteine ein Jahr lang verhüllt ließen und sie dann erst aufdeckten, verstand ich immer noch nicht, was das bedeuten sollte.
    Merry und ich standen am Fußende von Mamas Grab. Alle anderen drängten sich bei dem Grabstein mit dem Tuch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher