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Herz im Spiel

Herz im Spiel

Titel: Herz im Spiel
Autoren: Sally Cheney
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kritzelte, während er sprach. „Etwas Besseres als Geld.“ Er griff noch einmal in seinen Rock und nahm eine kleine Brieftasche heraus. Nachdem er einen Moment lang ihren Inhalt durchwühlt hatte, zog er eine abgegriffene und zerfledderte Daguerreotypie hervor. Diese reichte er zusammen mit dem Papier über den Tisch.
    „Wertvoller als Geld? Das bezweifle ich“, meinte Desmond, nahm die Gegenstände, die Mr Carstairs ihm zugeschoben hatte, und betrachtete sie. Er zog die Augenbrauen hoch und sah, Bestätigung heischend, seinen Mitspieler an. „Wirklich?“, fragte er.
    „Ich garantiere dafür“, sagte Carstairs fest.
    Desmond nahm die Zigarre, die zwischen seinen Zähnen steckte, und legte sie behutsam zurück in den Aschenbecher. „Ich gebe zu, dass Sie meine Neugierde geweckt haben.“
    „Dann nehmen Sie den Einsatz an?“, drängte Carstairs.
    Desmond zögerte noch einen Augenblick, bevor er schließlich nickte. „Nun gut“, willigte er ein. „Das könnte ganz … lustig werden. Meine Gewinne gegen dies hier.“ Er hielt das Papier und die Daguerreotypie hoch. „Was haben Sie, Mr Carstairs?“
    Carstairs lächelte selbstgefällig und deckte seine Karten auf, damit die anderen sie sehen konnten.
    „Full House!“, erklärte er triumphierend und breitete die Karten vor sich auf dem Tisch aus.
    Mr Phillips und Mr Abbot murmelten ehrfürchtig.
    Mr Desmond betrachtete die drei Buben und die beiden Zweier und schüttelte leicht den Kopf.
    „Nun“, meinte er, „das schlägt auf jeden Fall einen Dreier.“ Sorgfältig legte er drei Dreien auf den Tisch.
    Carstairs lachte in sich hinein und griff über den Tisch, um das Geld an sich zu nehmen.
    „Allerdings“, fuhr der jüngere Gentleman fort, „schlägt ein Full House noch lange keinen Vierer“, und kühl legte er eine vierte Drei ab.
    Carstairs sank auf seinen Stuhl zurück, als habe er einen Schlag bekommen.
    „Kopf hoch, alter Junge“, sagte Desmond und zog seinen Gewinn, einschließlich des Blatt Papiers und der sepiabraunen Fotografie, über den Tisch. „Hier haben Sie eine Kleinigkeit, damit Sie nach Hause kommen.“ Er suchte die schwere Münze heraus, die Mr Phillips’ letzter Einsatz gewesen war, und warf sie dem anderen über den Tisch hinweg zu. „Ich möchte Sie auf keinen Fall davon abschrecken, sich beim nächsten Mal noch mehr Geld von mir abnehmen zu lassen. Ah, aber in dieser Sache …“ Er nahm das Bild und betrachtete es genüsslich, „… werde ich auf der vollen Begleichung der Schuld bestehen.“
    „Selbstverständlich“, erwiderte Carstairs. „Wir stehen Ihnen zur Verfügung.“
    „Worum geht es eigentlich?“, erkundigte sich Mr Phillips neugierig und wies mit einem Nicken auf Desmond und das Bild, das er in Händen hielt.
    „Ich dachte, wir hätten beschlossen, nicht um Wechsel zu spielen“, meinte Abbot vorwurfsvoll.
    „Das haben wir tatsächlich. Aber Mr Carstairs hat mir keinen Schuldschein angeboten. Es scheint, dass er mir den Anspruch auf sein Mündel abgetreten hat, eine gewisse Miss Marianne Trenton.“
    Die beiden anderen Gentlemen lachten, während Desmond zwinkernd nach seiner Zigarre griff.

1. KAPITEL
    Dafür, dass der Sommer gerade erst begonnen hatte, war die Nacht zu heiß. Die Fenster standen offen, doch nur ab und zu wehte eine frische Brise ins Zimmer.
    Ein Mädchen saß bekleidet am Fußende des Bettes.
    Für diese Jahreszeit war die junge Frau zu warm angezogen, und angesichts der späten Stunde trug sie das Oberteil viel zu hochgeschlossen. Daher war es kein Wunder, dass ihr kleine Schweißperlen auf der Stirn standen. Aber der Grund, weshalb ihr der Schweiß aus den Poren trat und in Rinnsalen langsam den Rücken herunterrann, war in Wirklichkeit ein anderer.
    Marianne wartete auf ihren Onkel Horace. Übellaunig war er meistens, aber wenn er beim Kartenspiel verlor, wurde er gewalttätig. Und leider verlor Horace Carstairs fast immer, wenn er spielte.
    Carstairs war nicht ihr leiblicher Onkel. Nachdem ihre Eltern im vergangenen Jahr gestorben waren – ihr Vater an den Folgen eines Jagdunfalls und ihre Mutter drei Monate später an einer Influenza, die sie sich in ihrem durch die Trauer geschwächten Zustand zugezogen hatte –, war das Mädchen durch Gerichtsbeschluss Carstairs zugewiesen worden.
    „Ich kann das Mädchen nicht aufnehmen“, hatte Carstairs eingewandt. „Ich bin unverheiratet. Sie werden doch einem alten Junggesellen wie mir keine solche Verantwortung aufbürden
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