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Herz im Spiel

Herz im Spiel

Titel: Herz im Spiel
Autoren: Sally Cheney
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PROLOG
    London 1855
    „Eine Karte.“
    „Zwei.“
    „Ich bleibe bei diesen.“
    Die Karten wurden wie verlangt um den Tisch herum ausgeteilt. Schließlich schnipste der Geber einige Karten für sich selbst vom Stoß.
    „Der Geber kauft drei“, verkündete er.
    Die Männer auf den Stühlen betrachteten die Karten, die sie in Händen hielten, mit unterschiedlich finsteren Mienen. Ziemlich unbekümmert dagegen wirkte der Geber selbst, was zweifellos auf den beeindruckenden Stapel Münzen und Geldscheine, die vor ihm auf dem Tisch lagen, zurückzuführen war.
    „Mr Phillips, ich glaube, Sie müssen setzen“, erinnerte er den Mann neben sich sanft.
    Dessen Gesichtsausdruck verdüsterte sich noch mehr. „Ein Pfund“, knurrte er endlich, legte eine schwere Münze in den Topf und warf dem Spieler zu seiner Linken einen herausfordernden, giftigen Blick zu.
    Mr Abbot hätte seinem Mitspieler trotz dessen strenger Miene die Stirn geboten, hätte der gebende Gentleman ihm nur eine weitere Bildkarte gegeben, aber mit diesem Blatt …
    Abbot seufzte tief und schob seine Karten zusammen. „Ich fürchte, die Vorsicht gebietet mir, mich vom Schlachtfeld zurückzuziehen“, sagte er und legte die Karten umgedreht vor sich hin.
    „Mr Carstairs?“, mahnte prompt der Geber.
    „Ich bin dabei“, meinte der dritte säuerlich und nahm einige Münzen von dem zusammengeschmolzenen Stapel, den er vor sich liegen hatte.
    „Der Geber geht mit.“ Eine Banknote gesellte sich zu dem schon im Topf liegenden Geld.
    Die vier Männer – Phillips, Abbot, Carstairs und der Geber, Mr Peter Desmond – waren keine engen Freunde. Eigentlich waren sie nur flüchtig miteinander bekannt. Sie trafen sich mehrere Male im Jahr, um Karten zu spielen. Mindestens einer von ihnen zog stets als Verlierer von dannen, was nicht eben dazu beitrug, sich untereinander sympathischer zu finden.
    „Mr Phillips? Möchten Sie erhöhen oder aussteigen?“
    „Ich möchte vieles tun“, antwortete Phillips. „Aber Wünsche gehen nicht immer in Erfüllung, nicht wahr? Ich passe.“
    „Tja, Mr Carstairs, wieder einmal scheint es, als ob nur wir beide dieses Blatt ausspielen würden“, meinte der Mann, der gegeben hatte. Seine Stimme war sanft, sein Auftreten weltmännisch und von vollendetem Charme.
    Mr Carstairs stellte sich ihn mit eingeschlagener, blutiger Nase vor und überlegte, wie weltmännisch und charmant er dann trotzdem noch wirken würde. Bei jedem Spiel, das die vier Männer machten, stand Mr Desmond für gewöhnlich mit Geld in der Tasche vom Tisch auf, und Mr Carstairs verabschiedete sich meist mit leeren Händen.
    „Sie haben das meiste Geld, das ich hergebracht habe, an sich genommen, und ich möchte zu gern einen Teil dieser Verluste wettmachen. Alles oder nichts, Desmond.“
    Carstairs schob den Rest seiner Barschaft in die Mitte des Tisches.
    Desmond nahm die Zigarre, die in dem Aschenbecher neben seinem Ellbogen schwelte, steckte sie zwischen die Lippen und studierte aufmerksam die Karten in seiner Hand. Noch eingehender jedoch betrachtete er den Mann, der neben ihm saß. In der Rauchwolke, die er ausstieß, blinzelte er, aber weder der Qualm noch die zusammengezogenen Augenbrauen konnten die Tatsache verhehlen, dass er ausgesprochen gut aussah. Sein Haar war dunkelbraun, die Augen tiefgrau, und sein kantiges Kinn wies auf einen eisernen Willen hin.
    Er schnippte die Asche von seiner Zigarre, steckte sie wieder in den Mund und hielt sie zwischen den Zähnen. „Unglücklicherweise, Mr Carstairs, befinden Sie sich nicht in der Position, Bedingungen zu stellen“, meinte er, ein ironisches Lächeln auf den Lippen. „Ich brauche nur zu erhöhen, damit Sie verlieren.“
    Er schickte sich an, genug Münzen und Scheine aufzunehmen, um seinen Worten die Tat folgen zu lassen, aber Carstairs gebot ihm beinahe panisch Einhalt. „Warten Sie!“, rief er. „Ichsagte, alles oder nichts.“
    „So ist es“, pflichtete Desmond ihm bei. „Und Sie haben alles gesetzt und nichts mehr übrig.“
    „Nein, nein. Ich habe …“
    „Was, Mr Carstairs?“
    „Ich habe … geben Sie mir ein Blatt Papier.“
    „Also, Mr Carstairs, Sie kennen doch unsere Abmachung. Wir waren uns einig, dass wir nur um die Summen spielen, die wir mit an den Tisch gebracht haben.“ Dieser Umstand schien den Gentleman ehrlich zu bekümmern.
    „Ich rede nicht von Geld“, murmelte Carstairs, der selbst einen Zettel und einen Stift in seiner Tasche gefunden hatte und etwas
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