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Herrchenjahre

Herrchenjahre

Titel: Herrchenjahre
Autoren: Michael Frey Dodillet
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Provenzalisch mit ihnen, wenn sie sich nicht schnell genug bewegen.
    »Bis auf diesen Minirüden«, sage ich. »Den hat sie die Böschung runtergeblasen.«
    »Völlig zu Recht«, sagt Stella. »Der ist ihr an den Hintern gegangen. Hallo? Bei sexuellen Übergriffen darf man ja wohl noch die Keule rausholen.«
    »Jawohl«, sage ich.

    »Wie lange reicht die Wurst noch?«, fragt Stella.
    Ich fühle in meiner Jackentasche nach.
    »Circa fünf Kilometer«, sage ich.

    Seit ich Luna die Hundebegegnungen mit Valberts leckerer Hundeblutwurst versüße, wahrt sie so viel Contenance wie nie zuvor. Sobald sie einen anderen Hund erblickt und ruhig bleibt, stopfe ich ihr pfundweise Wurst ins Maul, begleitet von dem lobhudeligen Schlüsselwort Super . Wieder und wieder und wieder.
    Ein Blick zu mir wird nicht belohnt. Wurst und Super gibt es immer nur dann, wenn sie den anderen anguckt. Ich haue sämtliche Lehrbücher in die Tonne und lobe sogar, wenn Luna erkennbar fixiert und die Bürste hochfährt.
    Sollte sie sich dennoch zum Krawall entschließen, gibt es entschieden eins auf den Deckel. Boing! Schon ist Ruhe. Dass man im Leben ruhig mal austicken darf, heißt ja nicht automatisch, dass ich das auch gut finde. Schon gar nicht am Fahrrad oder auf abschüssigen Waldpfaden.
    Die Botschaft kommt an. Ist es nicht toll, einen anderen Hund zu treffen und ihn nicht anzumachen?
    Hundesichtungen auf Entfernung finden auf einmal in entspannter Gemütslage statt. Luna schaltet nicht in den Alarmmodus, sondern bleibt auf Blutwurstkurs. Die Gruppenübungen auf dem Hundeplatz verlaufen ähnlich unaufgeregt, und auf unseren Waldspaziergängen gehen neun von zehn Frontalbegegnungen nicht in die Hose. Bisher war das Verhältnis umgekehrt. Nach und nach werden wir die oralen Wurstgaben reduzieren, bis nur noch das Wörtchen Super übrig bleibt.

    »Das Rezept ist gut«, sage ich. »Zwar kein Allheilmittel, aber gut. Lunas Individualdistanz sollte ich bei Hündinnen, mit denen sie sich schon geprügelt hat, nach wie vor nicht unterschreiten. Auch nicht im Blutwurstanzug. Und wenn es zu schnell hintereinander dick kommt, funktioniert es auch nicht. Innerhalb von hundert Metern Nelly, Sandy, Bauer Fürmanns Wolfi und der Klobürstenterrier vom Nachbarn ist einfach zu viel.«
    »Im Moment noch«, sagt Stella. »Das wird schon.«
    »Und wenn nicht, ist es mir auch egal«, sage ich. »Zur Not greife ich eben wieder auf die Legendenmethode zurück und erzähle den Leuten irgendeinen Senf, warum Luna in Wirklichkeit gar nicht so schlimm ist. Die ist nicht aggressiv, gnä’ Frau, die ist nur emotionsflexibel.«
    Unsere fleißige Trine hat mittlerweile zehn Riesenkiesel aus dem Wasser geholt. Jetzt ist ihr langweilig. Sie will weiter.
    »Wenn wir jetzt aufstehen, kriegt sie ihren Willen«, sage ich.
    »Na und«, sagt Stella und klopft sich die Erde von den Jeans. »Ich will nach Hause. Dort werde ich diesen Hund füttern, sobald er am Tisch bettelt, und ihn anschließend mit auf die Couch nehmen und dafür sorgen, dass er höher liegt als ich.«
    »Das ist pure Anarchie«, sage ich.
    »Ja«, sagt Stella. »Und wenn Luna an der Terrassentür bellt, weißt du, was ich dann mache?«
    »Du machst sie auf.«
    »Ganz genau. Und wenn es abends kühler wird, heize ich unseren Ofen mit deinen komischen Hundeerziehungsbüchern.«
    Als wir von der Bachböschung auf den Waldweg treten,
tobt das Dackelgeschwader an uns vorbei. Führerlos! Während sich die drei auf dem Hinweg durch eine unglaubliche Laufunlust hervortun, hängen sie auf dem Rückweg immer das Herrchen ab. Da schieben sie Kohldampf und wollen heim.
    Luna guckt nicht einmal hin.
    »So wird das jetzt immer«, sagt Stella zufrieden.
    »Ich bitte darum«, sage ich.
    »Du wirst es erleben«, sagt Stella. »Das reinste Gassiparadies. Luna wird die Sau immer seltener rauslassen. Nur noch an kirchlichen Feiertagen.«
    »Damit kann ich leben«, sage ich. »Wann ist der nächste?«
    »Allerheiligen. Im November. Pass auf, da kommt was.«
    Luna fixiert einen Bobtail, der sich naiv wedelnd auf Kollisionskurs befindet. Ich stapfe seelenruhig weiter und stopfe Wurst in meinen Hund, dem mittlerweile die Nackenhaare meterhoch zu Berge stehen.
    Am blauen Sommerhimmel formiert sich ein Wolkengebilde.
    Es sieht wie ein Krause aus!
    Der Wolkenkrause sieht mir beim Wurststopfen zu und sagt: »Ja, aber …«
    »Krause, halt den Rand!«, sage ich. »Halt einmal im Leben einfach den Rand!!«
    Luna schaut mich an.
    Ich
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