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Herrchenjahre

Herrchenjahre

Titel: Herrchenjahre
Autoren: Michael Frey Dodillet
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Bedarf gepflegt nachladen können.
    Wir schweben über die Gehwege, sind bereits mit einem schlichten Gunahmd überfordert und überblicken so gut wie keine Situation mehr. Im Ernstfall aber kommen deeskalierende
Bemerkungen wie Keine Ssorge, die, hps, macht nur Schbass und Is’n das Rote da, ka man doch wegtupfen wie geschliffen über die Lippen.
    Eine innere Ruhe macht sich breit und überträgt sich auf den Hund. Jeglicher Krawall unterbleibt. Aufsehen wird nicht erregt. Ein friedfertiges Team, das im ganzen Viertel gern gesehen ist.

    »Ein schöner Traum«, sagt Juppi.
    »Ja«, sage ich.
    Wir sind auf dem Nachhauseweg von der im unteren Teil des Dorfes gelegenen Birreria. Man kann dort schön gemütlich satt werden. Zu jedem Glas Bier werden kleine Leckereien gereicht. Mit unüberschaubaren Folgen. Man bestellt immer weiter Bier, weil man alle Leckereien durchprobieren will. Das sind aber so viele, dass sie sich einfach nicht wiederholen. Deswegen gehen Birreria-Abende meist ganz anders aus als ursprünglich geplant.
    Der Toskana-Effekt entfaltet seine volle Wirkung. Luna trabt unter der Nicht-Aufsicht von fünf paar glasigen Augen vergnügt neben uns her.
    »Aber ich kann wirklich nicht jeden Abend in diesem Zustand mit dem Hund raus«, sage ich. »Auch wenn’s dem Hund guttut, täte, tun würde.«
    Luna spaziert entspannt an der Birreria-Katze vorbei. Wir treffen sie jedes Jahr in Campiglia d’Orcia. Zart und schwarz streicht sie durchs Dorf und lebt zufrieden nach der Faustformel ein Jahr älter, ein Jahr dreister .
    »Die Katzen sind hier so cool wie die Kater«, stellt Peter fest.

    »So cool«, sage ich, »Wisst ihr, was SO COOL ist? SO COOL ist eine Kräutermischung mit extra milder Temperamentformel für nervöse und gestresste Hunde.«
    »Du machst Witze«, sagt Walter.
    »Nein«, sage ich. »Die gibt’s wirklich. Wenn dein Hund Nervenprobleme hat, kriegt er davon was ins Futter. Das soll sogar bei Autofahren oder Silvesterknallerei helfen. Kann man für dreißig Euro das Pfund im Internet bestellen.«
    »Das nehmen wir nächstes Jahr mit«, sagt Peter.
    »Meinem Hund mische ich so einen Scheiß garantiert nicht unters Futter«, sage ich.
    »Das ist ja auch nicht für deinen Hund«, sagt Peter. »Das ist für dich.«
    »So etwas esse ich nicht«, sage ich.
    »Du sollst es ja auch rauchen«, sagt Juppi.
    »Vor jedem Gassi eine Tüte SO COOL«, sagt Ralf.
    »Alles Peace«, sagt Walter.
    »Und zusätzlich setzen wir dir noch eine Calming Cap auf«, sagt Ralf.
    »Du meinst das Ding, das die Pferde immer aufhaben, damit die Mücken sie nicht nervös machen?«, fragt Peter.
    »Genau«, sagt Ralf. »Das gibt’s auch für kleine Köpfe. Dann musst du das ganze Elend nicht mehr sehen.«
    »Ihr habt gut reden«, sage ich. »Ständig diese Abhängigkeit von meiner Ruhe, Gelassenheit und Tagesform. Pausenlos die Gegend nach eventuellen Vorkommnissen scannen. Ab und zu will ich einfach nur mit Stella gedankenlos spazieren gehen können, keine Erziehungsübungen machen, nicht konsequent sein müssen, ungestraft ein bisschen schlampen dürfen.«
    Luna bleibt stehen und guckt mich an. Ich kenne diesen Blick.

    Er bedeutet: He, du Pfeife! Bist du ein Mann oder ein Mürbchen?
    »Ist doch wahr«, zetere ich in die toskanische Nacht hinein. »Von Hu-hundeerziehung will ich nichts mehr wissen! Die sollen mich alle in Ruhe lassen! Alle! Mein Hund ist, wie er ist. Und ich sowieso!«
    Ich hole tief Luft: »LECK MICH, KRAUSE!!!«
    Juppi klopft mir auf die Schulter: »So isser brav.«

Ihr könnt uns alle mal
    Tür geht auf. Luna fliegt in den Garten. Quietscht in der Luft. Knallt auf den Rasen. Fegt hinter das Haus. Prasselt den Zaun entlang. Tobt hoch zum Kompost. Nein, da ist nichts! Niemand. Nirgendwo. Kein Räuber. Kein Mörder. Kein Katzenrudel. Kein Hundeschwarm. Kein mittelfingerschwingendes Erdmännchen. Keine Sau.
    Ein ganz normaler Morgen zu Hause. Sonnenschein, lieblich.
    So begrüßt Luna den Tag. Jeden Tag! Immer mit Kawumm! Und wenn ich sie ins Haus zurückrufe, beruhigende Geräusche mache und die Tür erneut öffne, rauscht sie wieder genauso raus. Und wieder und wieder und nochmal und morgens und mittags und abends und nachts.
    Es ist ihre Art, der Welt zu begegnen.
    Vielleicht sollte ich mich so langsam mal daran gewöhnen, anstatt pausenlos ins Blaue hinein zu erziehen.
    Ist doch wahr!
    Luna und ich haben die letzten fünf Jahre weiß Gott nicht auf der faulen Haut gelegen. Siebenundfünfzig Monate
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