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Herrchenjahre

Herrchenjahre

Titel: Herrchenjahre
Autoren: Michael Frey Dodillet
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denken: Hilfe!
    Die orangegetigerte Katze denkt: La Lune sieht heute wilder aus als sonst, ich bleibe einfach liegen. Der graugestreifte Kater denkt: La Lune sieht heute wilder aus als sonst, ich fange eine Prügelei an.
    Der Siebenschläfer nachts um drei auf dem Campingplatz
denkt: Kein Problem, die ist ja am Bulli angeleint. Luna denkt: Hurra, den fange ich. Die Leine denkt: Diese Anspannung halte ich nicht aus, ich reiße lieber. Der Siebenschläfer denkt: Scheiße. Der Baum denkt: Ich bin ein guter Baum, ich rette ein Leben.
    Der albern frisierte Yorkshireterrier in der Volkswagen-Werkstatt in Draguignan denkt: Mami, ich will wieder in die Gucci-Tasche. Der Kundendienstmeister denkt: Der Halter von dem Grand Mistvieh Allemand soll sein Abblendbirnchen gefälligst selber wechseln.
    Luna denkt: Mittelmeerwasser schmeckt bäh. Die einheimische Badegästin in St. Maxime denkt: Hoffentlich kotzt der Hund nicht in den Sand. Der Sand denkt: Bäh.
    Die lebensmüde Viszlar-Diva denkt: Ich gehe jetzt an dieser Strandbar vorbei. Luna denkt: Das ist meine Bar, mein Strand, mein Meer. Der Barkeeper denkt: Verdammt, die schönen Möbel. Der Mistral denkt: Was ist da unten bloß wieder los?

    Avignon / 19. Juli / 14:11 / 37,0° C / Monster am Schnürchen Knips. Mistral aus. Backofen an. Alles wieder gut. Wir dösen im Café. Ein Schauspieler kommt vorbei und erklärt in viel zu schnellem Französisch ein sehr kompliziertes Theaterstück, in dem er und seine Freunde heute Abend um halb zehn im Palace auftreten werden. Wir sollen unbedingt mit unseren Kindern kommen, es sei sehr lustig und gebe viel zu lachen, versichert er. Zum Schluss drückt er mir das Programm in die Hand, auf dessen Titelseite einem Teddy mit dem Fleischermesser der Kopf abgetrennt wird.
    Es kommen noch weitere Ensembles mit ähnlichen Anliegen.
In Avignon ist Theaterfestival. Die ganze Stadt spielt Theater, abends in Häusern, unter Tag auf der Straße. Luna ist das alles egal. Sie gähnt dekorativ. Wenig später wird sie auf der Place de l’Horloge von einem zerzausten Marionettenhund, an dessen langen Fäden ein nassforscher Puppenspieler hängt, belästigt. Obwohl zwanzigmal schwerer und keiner Prügelei abgeneigt, zieht meine Krawallmaus nach drei pumaartigen Angriffsversuchen den Schwanz ein und geht dem komisch hopsenden Ding aus dem Weg.
    Der Puppenspieler und wir erhalten Szenenapplaus, aber kein Geld, weil wir keinen Hut haben. Wir kaufen uns einen.

    Sainte-Croix-du-Verdon / 20. Juli / 8:23 / 26,5° C / Brot und Spiele Jeden Morgen ächzen wir den steilen Weg hoch zur Bäckerei. Jeden Morgen treffen wir den netten Herrn aus Holland. Jeden Morgen ist Terz.
    Man muss sich das so vorstellen: Zwei Männer gesetzten Alters begegnen sich auf einem schmalen Weg. Der von oben Kommende trägt links immer ein Baguette, der von unten Kommende noch nicht. Beide halten an der rechten Hand vierzig Kilo weiblichen Schäferhundmischling. Die Damen, aus gegebenem Anlass schön kurz am Halsband gefasst, hüpfen auf den Hinterläufen, röcheln und fauchen vor Zorn, baggern mit den Tatzen durch die Luft und werfen sich schlimme Wörter an den Kopf. Die Herren nicken sich währenddessen freundlich zu und sagen: »Bonjour, Monsieur« – »Bonjour, Monsieur« . Hätten sie eine dritte Hand, lüfteten sie vermutlich noch höflich den Hut.
    In drei Wochen haben wir nur ein einziges Mal kein Theater mit den Hunden. Da begegnen wir uns nicht auf dem engen
Pfad, sondern oben direkt vor dem Bäcker. Dort ist Platz, die Mädels sind entspannt. Die kleine Bar hat auch schon auf.
    Wir setzen uns auf eine Bank. Der holländische Herr beraubt mich innerhalb von zwanzig Sekunden aller Illusionen, als ich die verwegene Ansicht äußere, meine Maus sei jung, wild und ungestüm, im Alter lege sich das. Nein, meint er, das könne er leider nicht bestätigen, seine sei schon zwölf, es sei jedes Jahr schlimmer geworden. Er habe auch schon die Mutter und die Großmutter von ihr gehabt, und die seien genauso gewesen. Daraufhin bestellen wir erst mal einen Schnaps.

    Sainte-Croix-du-Verdon / 21. Juli / 18:32 / 30,5° C / Automotorenquiz
    Luna erkennt Autos am Geräusch ihrer Motoren. Das Nageln unseres Bulli-Diesels ist ihr ebenso vertraut wie das Brummen eines Opel Astra. Wenn sie Letzteres hört, fängt sie zu jaulen und zu hüpfen an. Opel bedeutet seit fünf Jahren, Omi kommt und hat etwas Leckeres dabei. Doof, dass das für die Provence nicht gilt. Schon viermal hat sie heute
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