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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)
Autoren: Eva Baronsky
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bei dir einziehen lassen?«
    Piotr sah auf. »Hab ich gehört seine Musik, und hab ich gewusst, ist er besondere Mensch und hat er großes Herz.«
    Mit einem Mal war ihr wohler. »Und hast du … ich meine, du hast gesagt, er sei schon länger verschwunden, als ich dich angerufen habe. Hast du dich da nicht gewundert oder nach ihm gesucht?«
    Wieder sah er auf seine Tasse, schwieg lange, schob den Schaum mit dem Löffel zum Rand. »Ist nicht erstes Mal, ist er verschwunden schon öfter, nur paar Tage immer. Hab ich gefragt in
Blue Notes
, bei Czerny, hat er erzählt von Frau mit schöne schwarze Augen und … na ja, hab ich gedacht, ist er bei dir. Blöde Mistverständnis.«
    »Missverständnis!« Anju lachte ein bisschen, langsam wurde ihr wärmer. »Aber dein Wort passt besser. Mistverständnis.«
    Er lächelte zerknirscht. »Hab ich so viele Wörter in meine Hosentasche, aber hole ich manchmal falsche heraus.« Er sah sie nachdenklich an. »Mit Wolfgang habe ich andere Sprache, habe ich Musik. Aber kommt man sich auch vor wie Ausländer, wenn man Musik macht mit Wolfgang. Ist er beste Musiker, was ich je gehört hab. Ehrlich. Hab ich viele gehört, hier in Wien und in Mrągowo, haben wir Festival, ist berühmt.«
    »Na ja, wenn er so gut wäre, müsste er wohl nicht in einer Kellerbar spielen, oder?«
    »Ist gute Jazzbar,
Blue Notes
, gibt Konzerte mit sehr berühmte Jazzmusiker dort. Aber ist er keine Jazzer, in Wirklichkeit. Ist er klassische Pianist und komponiert er Sachen …« Piotr schüttelte ehrfürchtig den Kopf. »Hat er sogar gehabt Konzert in Musikverein, ist Anfang von große Karriere.«
    »Und stattdessen sitzt er in einer Klinik.« Sie schluckte. »Mein Gott, er sah so traurig aus.«
    »Ist er Genie, wenn du fragst mich. Und ist große Verschwendung, was er macht mit Leben. Aber vielleicht«– ein warmes Lächeln überzog jäh sein Gesicht –, »wenn er hat gute Frau und Hilfe, kann er werden ganz gesund und macht er wunderbare Arbeit.«
    »Glaubst du das wirklich?«
    »Weiß ich nicht, was wird passieren, aber glaube ich, dass nur Liebe kann heilen Seele.«
***
     
    Sie kam schon am übernächsten Tag wieder, saß auf dem Sofa in einem der Aufenthaltsräume, ihr Gesicht war gläsern, das Lächeln kam von fern. Eine Kerze brannte auf dem Tannenkranz.
    Er setzte sich neben sie, fühlte, wie sich die Bewegung, die sein Körper in die Polster brachte, auf Anju übertrug. Sie schwiegen lange. Irgendwann spürte er, dass die Spitzen ihrer Finger warm sein Gesicht berührten, ihn streichelten. Er dachte an die scheußlichen, wunderbaren Tiere in ihrem Zimmer, und ihm war, als sei er eines von ihnen, nur größer, groß genug für ihre Hand.
    »Lass uns spazieren gehen, es ist mild draußen. Ich … will dir etwas sagen.«
    Er folgte ihr wortlos. So fing wohl jeder Abschied an.
    Sie liefen über schlafende Wege, zwischen den Pavillons entlang, bis zur Lungenheilanstalt und schließlich hinauf zur Kirche. Die Vögel sangen mit Winterstimmen, einen stillen, tiefen Gesang, ohne Verheißung und ohne Glut.
    Gewiss würde sie es ihm sagen. Jetzt. Während dieses Spaziergangs. Er war bereit, wusste, dass der Schmerz ihn träfe und auch dieser letzte Schmerz Teil des Ganzen war.
    »Wolfgang, ich muss mit dir reden«, begann sie, und all seine Ergebenheit war zunichte, er musste an sich halten, um ihr nicht die Hand auf den Mund zu legen, sie nicht zu umarmen, sich nicht an sie zu klammern. Er zog seineJacke vor der Brust zusammen und hielt die Kanten mit den Händen fest.
    »Fang mich doch!«, rief er und stürzte über die Wiese, umrundete einen Laubhaufen und sah, dass Anju noch immer auf dem Weg stand, wie eine Mutter, die ihr spielendes Kind erwartet. Atemlos kam er zu ihr zurück, sein Herz hatte jetzt einen ordentlichen Grund zu klopfen. »Wie lang ist’s her, seit ich solches nicht mehr getan hab!«
    »Wolfgang, bitte, hör mich an.«
    Er sah sich um. Außer den ordentlich zusammengerechten Blätterbergen gab es nichts mehr, worauf er ihre Aufmerksamkeit hätte lenken können.
    Sie fegte etwas Unsichtbares von einer Steinbank und ließ sich darauf nieder. Zögernd tat er es ihr gleich.
    »Wolfgang …« Anju ergriff seine Hände. Er spürte, wie sie nervös seine Handballen mit ihren Daumen rieb, und sann verzweifelt nach einem Scherz, doch es wollte ihm keiner mehr einfallen.
    »Wolfgang, ich … hör zu, wir … bekommen ein Kind.« Sie hielt inne, und ihm war, als brause ein warmer Wind auf und
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