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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)
Autoren: Eva Baronsky
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heute, sozusagen als Vorgeschmack, beim Spaziergang zuteil werden ließ, in einem Maße gestärkt hat, das unsereinem ohne göttliche Gnade … Herrje!«
    »Herr Mustermann?«
    »Anju!«
    »Wie bitte?«
    »Ich kann nicht!«
    »Was denn, Herr Mustermann, was können Sie nicht? Herr Mustermann. Was?«
    »Mein Weib!« Er konnte sie nicht im Stich lassen. Nicht jetzt, nicht mit dem Kinde. »Sie ist guter Hoffnung, es muss für sie gesorgt werden!« Tiefdunkel wurde sein Gewissen, als er sich sein Bedauern eingestand.
    »Herr Mustermann, ich glaube, Sie machen sich keine Vorstellung von Ihren zukünftigen Möglichkeiten. Ich habe Sie spielen hören, kürzlich im Musikverein. Und ich kenne Teile Ihrer Requiemfassung. Note für Note, wenn ich ehrlich sein darf. Glauben Sie mir: Für Ihre Frau und das Kind wird gesorgt sein, auch für einen ganzen Stall von Kindern, wenn’s drauf ankommt.«
    »Einen Stall voll …!« Ein Anflug von Entrüstung überkam ihn. Doch dann besann er sich. Hatte nicht Constanzen ein weiteres Mal den Bund der Ehe geschlossen? Allein ihr hohes Alter mochte ihr weiteren Kindersegen verwehrt haben. Anju jedoch stand in der Blüte ihrer Jahre und sollte nicht zeitlebens Trauer tragen müssen. Nicht um seinetwillen. »Des seid Ihr gewiss?«
    »Ehrenwort, Herr Mustermann! Sie können sich auf mich verlassen.«
    Schwer atmete er aus. »So soll alles zu ihrem und des Kindes Vorteil aufgeführt werden, alles, was Ihr finden könnt, hier und im Logis meines Freundes Piotr, den Ihr gewiss kennt, als es nichts Minderes denn die göttliche Güte und Vorsehung gewesen sein muss, die mir einen solch treuen Gefährten zur Seite gestellt.« Die Last eines Lebens war von ihm genommen. Er fühlte ein ungeduldiges Drängen, ein Ziehen und Streben, jene Grenzen zu erkunden, an die er nie zuvor geraten war. Musik, die über sein jeweiliges Leben hinauswuchs, das war seine Bestimmung und sein Kreuz, zu aller Zeit und würde es immer sein. Er stockte. War er denn, nach jener zukunftsweisenden Offenbarung, überhaupt noch in der Lage, das Lacrymosa niederzuschreiben? In einer Weise, die dem Jetzt gerecht wurde, das ihm bereits als ein Noch erschien,gleichwohl er es gerade noch ein Schon hatte nennen müssen? Entschlossenheit und Zaudern rangen in ihm.
    »Ich bin bereit«, sagte er endlich mit fester Stimme und sah in des Engels Angesicht. »Wenn Ihr also die Güte hättet, mir Papier und Schreibgerät zu reichen, dort, auf der Lade …«
    Mit einem Laut der Erleichterung nahm er Notenheft und Stift entgegen und ließ beides für einen Moment in seinem Schoß ruhen. Dann bekreuzigte er sich. »Der HERR stehe mir bei.«
    Und plötzlich war es da.
    Wie aus ferner Zeit schwebten vertraute Töne wie Flügelschläge heran, kamen näher und näher, Seufzer umtanzten ihn wie Nachtgestalten, schwangen sich auf, zogen ihn mit sich, hoch und höher, und er spürte, dass er sich nicht mehr fürchten musste, ließ alle Angst und allen Schmerz zurück, stieg auf, ahnte das Singen des Himmels und das Rauschen der Erde, und die Töne ergriffen ihn, trugen ihn hinauf, bis nichts mehr als Musik war, nur Musik, und er klang mit ihnen in die Zeit hinaus.

Postludium
     
    Er blinzelt. Schwach flackert das Kerzenlicht. Sie sitzt noch immer an seinem Bett, hält ihm die Hand. Groß ist die Ruhe, überall.
    »Stan…« Mehr Luft hat er nicht.
    »Ja, Liebster. Ich bin hier.« Ihre Hand streicht über seine Wange.
    Tiefer Friede. Alles ist getan, genug getan.
    »Ich hab …« – dich vermisst, will er sagen, aber er bringt es nicht hervor. Die Luft geht schwer. Zu schwer. Angestrengt ringt er nach Atem, doch der reicht nicht in die Brust, bläht nur seine Wangen und stößt aus ihm hinaus.
    Constanze schluchzt, er weiß, er soll es nicht hören.
    »Sieh, er kann nicht vom
Requiem
lassen. Er macht wieder die Pauken.«
    Ein leises Lächeln gelingt ihm noch. Sachte, ganz sachte nur, schüttelt er den Kopf.

Informationen zum Buch
    Am Vorabend noch hat er auf dem Sterbebett gelegen. Nun erwacht Wolfgang Amadé Mozart an einem unbekannten Ort und - wie ihm nach und nach klar wird - in einer fremden Zeit. Die Ungeheuerlichkeit seiner Zeitreise ins Jahr 2006 kann er sich nur mit einem göttlichen Auftrag erklären: Er soll endlich sein Requiem beenden.Als wunderlicher Kauz und lebender Anachronismus irrt Wolfgang durch das moderne Wien, scheitert an U-Bahntüren und fehlenden Ausweisen. Einzig die Musik dient ihm als Kompaß, um sich in der erschreckend
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