Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)
Autoren: Eva Baronsky
Vom Netzwerk:
der ist immer noch auf dem Trip, lass ihn weiterpennen.« Die Decke senkte sich wieder herab.
    »Na, der kann was erleben! Ruht sich aus, während wir die Arbeit machen.«
    Er riss die Augen auf, sah schemenhaft zwei Gestalten sich entfernen, dem Habitus nach Männer, dann wurde eine Tür geschlossen, und rasch klappte er seine Augen zu.
    Irgendetwas stimmte nicht.
    Er war nicht mehr zu Hause. Sein Lager fühlte sich anders an, viel weicher und ungleich – ja, federnder; ein subtiler, femininer Duft lag darin. Wohin hatte man ihn gebracht? Wer um alles in der Welt waren diese garstigen Kerle? Und welche Arbeit gab es zu tun? O gütiger Himmel: Sollte das gerade der Franz Xaver gewesen sein?
    Er riskierte erneut einen vorsichtigen Blick. Das Gemach, in dem er sich befand, war recht geräumig, durch ein Fenster drang fahles Winterlicht. Er nahm einen tiefen Atemzug. Tot war er jedenfalls nicht. Oder doch? Instinktiv probierte er seine Hände aus, formte die ersten Takte des Sanctus, das zu schreiben er versäumt hatte, ließ die Fingerspitzen über Brust und Bauch gleiten. Erschrocken hielt er inne: Das waren nicht seine Kleider, die er anhatte. Er schob die Decke zur Seite – sie war purpurfarben! –, hob den Kopf und sah an sich hinab. Statt seines gewohnten weiten Leinenhemdes trug er ein kurzes Hemdchen, es hatte weder Kragen noch Knöpfe und war aus einem außerordentlich anschmiegsamen, wenn auch dünnen Stoff gefertigt. Seine Beine steckten in einer dunklen Hose, die nicht bloß übers Knie, sondern weit über die Knöchel reichte. Sie war bequem, samtig und nachgiebig. Sein Sterbekleid? Ein jähes Frösteln erfasste ihn, doch sein Körper fühlte sich fürwahr gesund und lebendig an. Auch derSchädel peinigte ihn nicht mehr, so dass sich die Musik schon wieder ungehindert darin ausbreitete, in bunten Farben und Formen um ihn wogte wie seit jeher und darauf drängte, niedergeschrieben zu werden. Alle Schmerzen waren ihm genommen.
Gere curam mei finis
– also war dies am Ende … das Paradies?
    Er atmete schwer aus, zog den Kopf ein wenig zwischen die Schultern, sah sich nochmals um. Von gebratenen Tauben keine Rede, doch sein Verstand hatte sich ohnehin stets gegen diesen Pfaffenhumbug gesträubt. Indes: So ein kleines Täubchen wäre ihm just recht gewesen, sein Magen fühlte sich alles andere als tot an. Und voll Verwunderung registrierte er, dass seine Blase schmerzte, denn es war nicht jene Art von Schmerzen, die er in den vergangenen Wochen in einem fort hatte erdulden müssen, vielmehr drängte es ihn erfreulich stark, Wasser zu lassen.
    Er richtete sich auf, setzte die Füße auf den kühlen Boden. Die hölzernen Dielen knarrten. Erleichtert entdeckte er neben dem Bett einen Nachttopf, doch seine Hose hatte weder Latz noch Eingriff, nur zwei Säckel auf jeder Seite, in einem fand er ein zerknülltes weiches Tuch. Beunruhigt nestelte er an dem wulstigen Hosenbund herum, bis er fasziniert feststellte, dass der recht dehnbar war. So dehnbar gar, dass er, wenn er ihn von sich wegzog und dann losließ, unversehens wie eine Feder wieder zusammenschnurrte und seinen Dienst, die Hose an ihrem Platz zu halten, ganz tadellos verrichtete.
    Er ließ den Stoff ein paarmal gegen seinen Bauch klatschen, bevor er ihn zur Gänze herunterzog und nach dem Nachttopf griff. Das vertraute Plätschern ließ ihn ruhiger werden.
    Nicht weit von seiner Bettstatt stand ein gläserner Tisch, darauf lag Papier, eine rechte Menge Papier, ein ganzer Stapel gar, weiß wie Jännerschnee und glatt wie feinste Seide. Er strich mit den Fingerspitzen darüber. Paradiesisch glatt,fürwahr, an diesem Ort war nicht zu zweifeln! Eine Feder fand er keine, doch ein Bleyweißstift aus lackiertem Holz und ein anderes Schreibgerät, dessen Beschaffenheit er nicht zu deuten wusste, lagen parat.
    Er nickte unwillkürlich. Wer auch immer ihn hierhergebracht haben mochte, zeigte überdeutlich, was er von ihm erwartete: dass er sein letztes Werk, sein Requiem, nun vollende, sei dieser Ort ein Schon, ein Noch oder ein Dazwischen. Und mit dem Gedanken packte ihn ein Grausen: Sollte jener Herr, der ihm unlängst den Auftrag für dieses Werk überbracht hatte, doch ein Todesengel gewesen sein? Constanze hatte ihn einen Narren gescholten, als er in dem hochgewachsenen, stattlichen Mann mit dem dunklen Gewand den Erzengel Michael erkannt hatte. Aber nun – er sah sich abermals in dem fremden Raume um – war die Ahnung zur Gewissheit geworden, zur
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher