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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)
Autoren: Eva Baronsky
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Gefilden? Er sah sich nach allen Seiten um, inspizierte die Häuserfluchten, die Dächer, den steinernen Boden. Ohne den Dom im Angesicht wäre ihm kaum der Gedanke gekommen, dies sei der Platz, über den er noch gestern gelaufen war – alles war verändert, wohl standen Häuser dort, wo sie hingehörten, doch war deren Aussehen ein anderes, nur hie und da glaubte er eine Fassade zu erkennen, schien ihm eine Flucht vertraut. Und der Boden staubte nicht, sondern lag hart und schwarz unter seinen Füßen.
    »Tickets for Concert?«
    Bei dem Wort Konzert fuhr Wolfgang herum, vor ihm stand ein Kerl mit einer Kladde in der Hand. Er war schlecht frisiert und billig gekleidet, der Brokat an seinem Bein zerschlissen, und bei der tiefroten samtenen Pelerine hatte man stark am Tuch gespart.
    »Mozart-Concert?« Der Mann wedelte mit seiner Kladde.
    »Ja, Mozart, Wolfgang Mozart.« Endlich! Wolfgang strahlte. Man hatte ihn erwartet, Gott sei Lob und Dank. Mit einem tiefen Seufzer griff er nach der Hand des jungen Mannes und schüttelte sie herzlich. Dies
war
der richtige Ort, und man würde ihn schließlich an jenen Platz geleiten, den der Allmächtige für ihn ausersehen hatte. »Wohin bringt Ihr mich, junger Freund?«
    Mit einem spitzen Gesicht zog der andere die Hand zurück. »Nächste Mozart-Concert heute Abend, Tickets zwölf Euro, achtzehn Euro, vierundzwanzig Euro vorne.«
    »Ein Concert? Bereits heute Abend?« Wolfgangs Wangen glühten. »Soll ich nur dirigieren oder beliebt es unseren Herrn, mich gleichfalls auch spielen zu hören?«
    Das Gesicht des jungen Mannes blieb erst ausdruckslos, dann grinste er verhalten, als habe Wolfgang einen schlechten Scherz gemacht. »Nein, nein, Orchester hat genug. Welches Karte wollen Sie?«
    Nun verstand Wolfgang: Die Kladde, die der junge Mann trug, enthielt die Subscriptionsliste für ein Konzert, das ihm zu Ehren veranstaltet wurde. »Es ist mir eine rechte Freude und allergrößte Ehre, junger Freund, einen solchen Empfang bereitet zu finden. Seid meines herzlichsten Dankes versichert. Concertkarten indes werde ich nicht brauchen. Doch sagt mir, wohin ich mich wenden soll.«
    »Kein Karten?«, erwiderte der junge Mann barsch; er sah an Wolfgang herunter, mit einer raschen Kopfbewegung wandte er sich ab und ließ ihn stehen.
    Irgendetwas hatte er falsch gemacht. Mochte es an seiner Garderobe liegen, dass der junge Herr ihn derart unfreundlich behandelt hatte? Bedächtig sah er an sich hinab, die Hose glich zwar jenen, die von den Menschen auf dem Platz getragen wurden, doch war sie schmuddelig und schleifte auf der Erde. Er ging in die Knie, um sie aufzukrempeln. Sein Blick fiel auf ein Ornament am Boden, einesternförmige Intarsie, in der etwas geschrieben stand. Er rückte näher.
Johann Strauß Vater,
las er,
geboren 1804 in Wien, gestorben 1849 in Wien.
Darunter eine Signatur. Mitleidig nickte Wolfgang, diesem Herrn Strauß war auch kein langes Leben beschieden. Er erschrak. 1804! Wie konnte das angehen? Es waren noch dreizehn Jahre bis dahin. Bestürzt richtete er sich auf, sah sich um, starrte auf die Menschentraube, die sich vor dem Domportal ballte. Ein beängstigender Gedanke kroch in ihm hoch: Sollte dies der Tag sein, an dem alle Zeit aufgehoben war, der Tag der Abrechnung, des Jüngsten Gerichts, an dem alle, auch jene, die nach ihm gelebt hatten, sich versammelt fanden?
Dies irae!
Tag der Rache. Wolfgang atmete tief ein, noch immer lag der stechende alchimistische Geruch in der Luft. Er blickte auf den weißen Stern zu seinen Füßen, fand einen weiteren, unmittelbar daneben. Sein Herz machte einen Sprung, als er die vertraute Signatur erkannte: Haydn, seinem lieben Papa Haydn war er gewidmet! Wehmütig las er die schwarz eingesetzten Zahlen. Gestorben 1809. Wolfgang stellte sich den guten Meister Haydn als gebrechlichen Alten vor, während er sich einem dritten Stern näherte und warten musste, bis eine Gruppe alter Weiber darüber hinweggetrampelt war, ehe er die Inschrift lesen konnte. Jählings stockte sein Atem. Das war – seine eigene Handschrift! Dick und schwer lag sie auf der Erde.
Gestorben Wien 1791.
Dort stand es, schwarz in weiß. Er kniete nieder, strich mit dem Finger über die schwarzsteinerne Schrift.
Amadeus
. Wollte man ihn verspotten? Nur wenige Male hatte er selbst im Scherz seinen Namen in dieser Weise verbogen. Doch wie auch immer: Man hatte ihn nicht vergessen, hatte seinen Namen in Stein gelegt. Hier! An diesem Ort, der sich den Anschein
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