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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)
Autoren: Eva Baronsky
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gab, sein geliebtes Wien zu sein, und der doch bereits das Paradies verhieß. Er stand auf, breitete die Arme auseinander, blickte himmelwärts und schickte einen Freudenschrei in die grauen Wolken.Sein Herz tanzte. Der Herrgott hatte ihn für seine Mühen reichlich entschädigt. Wolfgang würde ihm danken, ihn für seine Großzügigkeit preisen. »Aaa-do-raa-te Cheee-ru-biiim, Dooo-minum Cantu!« So rasch er konnte, humpelte er auf die Kirche zu.
     
    Inmitten einer Horde Menschen wurde er durch das Portal geschoben. Man hatte den Eingang mit einer Wand verstellt, zwei getrennte Gassen für die Eintretenden und die Herauskommenden gebildet. Doch kaum fand er freien Blick auf den Innenraum, wurde seine Brust enger, die noch eben gefühlte Glückseligkeit verrann. Man empfing ihn nicht, ließ ihn nicht nach vorne treten, das Kirchenschiff war vergittert. Er griff nach dem eisernen Zaun, der übermannshoch den Portalbereich abtrennte, rüttelte daran, presste das Gesicht zwischen zwei Stäbe. Ein kleines Tor wurde gerade geschlossen, nur einige wenige hatten passieren dürfen, bewegten sich langsam in Richtung des Altarraumes. Wolfgang schluckte. Nun war es so weit, gewiss. Der Tag des Jüngsten Gerichtes war gekommen, und diese armen Seelen waren an der Reihe, ihr ewiges Urteil zu hören. Doch da war keine Wolke, auf der ein donnernder göttlicher Richter saß, weder trompeteblasende Engel noch grimmige Teufelchen standen bereit, die Gerichteten zu holen. Alles war beängstigend wirklich, hatte nichts mehr von den verklärenden Gemälden, deren Inhalt ihm oft Anlass zum Spott gewesen war. Nein, das hier überstieg jede Vorstellung, gerade weil es sich so nahtlos an das fügte, was noch gestern sein tatsächliches Leben gewesen war.
    Wann würde man ihn rufen? Er spürte seine Hände zittern, dann stimmte der ganze Körper in das Tremolo ein. Er sah sich nach der Schlange jener um, die die Kirche wieder verließen. Nicht wenige hielten das Haupt gesenkt. Wie stand es um sie? Waren sie erlöst? Verdammt?
    Seine Kehle wurde eng, hastig suchte er nach den Beichtstühlen. Er hatte nie regen Gebrauch von diesem Kehrichthaus der Sünden gemacht, doch wenn es eine letzte Gelegenheit gab, war ihm ein jedes Mittel recht.
    BITTE EINTRETEN stand in leuchtendem Grün über einer Türe geschrieben, ohne zu zögern, öffnete Wolfgang sie, fand in der Tat einen Beichtstuhl und sank mit einem Stöhnen auf die Knie.
    »Vergib mir, Vater, ich zittere im Angesicht des Jüngsten Gerichtes, denn ich habe gesündigt …«
    »Na, bis zum Jüngsten Gericht wird’s schon noch ein bisserl hin sein.«
    »So … so könnt Ihr mir sagen, wann die Reihe an mich kömmt?«
    »Hören’s, das weiß der Herrgott allein. Welche Sünde wiegt Ihnen denn so schwer?«
    »Nun, ich …« Wolfgang überlegte fieberhaft, doch seine Gedanken ließen sich nicht ordnen. Wenngleich er sich angesichts der vergitterten Kirche gerade noch über alle Maßen schuldig gefühlt hatte, fiel es ihm jetzt schwer, Konkretes zu benennen. »Mein Weib!«, entfuhr es ihm schließlich. »Nichts als Scherereien hat sie mit mir gehabt! Nun bin ich gestern von ihr gegangen und habe ihr nichts hinterlassen als einen Haufen Schulden und zwei kleine Kinder.«
    »Es ist nie zu spät, umzukehren, mein Sohn. Warum hast du sie verlassen?«
    Welche Frage! »Der Herr hat mich zu sich gerufen.«
    Auf der anderen Seite des Gitters wurde hörbar eingeatmet. Eine Weile herrschte Stille, dann setzte der Geistliche mit bedächtiger Stimme an: »Mein Sohn …« Schweigen. »Du bist im Begriff, einen großen Fehler zu begehen. Und eine große Sünde obendrein.« Die Stimme wurde eindringlich. »Was auch immer geschehen ist, du wirst Hilfe finden. Selbsttötung ist kein Ausweg!«
    »Ich habe mich nicht umgebracht, Hochwürden, sondern bin von selbst dahingeschieden, wenn auch nicht zur Gänze unerwartet, so doch gleichsam aus dem vollen Leben.«
    »Was soll das?« Der Ton auf der anderen Seite wurde unvermittelt barsch. »Habts’ ihr Sandler nicht einmal mehr Respekt vor dem heiligen Sakrament der Beichte? Betrunken bist!«
    »Mitnichten! Ich habe bislang weder Speisung noch Trank erhalten. Ich verwundere mich selbst, dass mich der Hunger darob so plaget, glaubte ich wohl meinesgleichen hier im Jenseits von jederlei irdischen Zwängen befreit.«
    »Im Jenseits. So.«
    Etwas im Ton des Geistlichen verunsicherte Wolfgang.
    »Nun … wie immer Ihr diesen Ort nennen möget, ich wähnte mich bald schon
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