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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)
Autoren: Eva Baronsky
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im Paradiese, fand ich doch meinen Namen so artig in Stein geschnitten …«
    »Was?«, polterte es von der anderen Seite. »Habts’ ihr mir wieder in den Sandstein gekratzt?«
    Wolfgang wich zurück. »Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen! Als ich eintraf, stand mein Name bereits am Boden, in einen goldenen Stern gefasst.«
    »Dein Name?«
    »Jawohl, wenn auch nicht ganz recht geschrieben.
Wolfgang Amadé
, sollte es heißen, doch diesen Scherz will ich dem Meister Steinmetz gern verzeihen.«
    Ein tiefes Stöhnen drang zu Wolfgang herüber. »Mozart bist also. Aah ja. Und in bester Gesellschaft. Es waren schon wieder drei von deiner Sorte hier seit Allerheiligen. Hm. Und wohnen tust auf der Baumgartner Höhe?«
    »Meine letzte Wohnung hatte ich zum Rauhen Stein.«
    »Natürlich. Auf der Baumgartner Höhe wird dann sicher die nächste sein. Derweil verrat ich dir was.«
    Der Geistliche kam so nah an das Gitter, dass Wolfgang seinen Atem spüren konnte, er roch nach frischem Minzaufguss.»Hör gut zu«, raunte er. »Erstens: Du bist weder tot noch im Jenseits. Punkt. Das hier ist das irdische Jammertal in seiner ganzen Pracht. Punkt. Zweitens: Deine Sünden sind dir vergeben. Schlusspunkt. Und jetzt darfst gehen.«
    »Nicht das Jenseits?«, fragte Wolfgang tonlos, starrte auf das morgenländisch anmutende Muster des Gitters. »Aber …? Ich bin gestorben!«
    » Du
bist nicht gestorben. Der Mozart ist gestorben, aber das ist zweihundert Jahre her, und deswegen wollen wir ihn in Frieden ruhen lassen.«
    »Zweihundert Jahre?« Wolfgangs Stimme knickte weg.
    »Dann eben zweihundertfünfzehn, was weiß ich, von mir aus. Und jetzt gehst brav dahin zurück, wo du herkommst, und dankst dem Herrn für das, was du bist – es ist eine Sünde, das eigene Leben zu verleugnen. Geh hin in Frieden. Ego te absolvo.«
    Auf der anderen Seite wurde es für einen Augenblick licht, dann war der Pfarrer verschwunden. Wolfgang verharrte kniend, der Beichtstuhl schwankte, er umklammerte das hölzerne Trenngitter. Gedanken tobten wild durch seinen Kopf, er bekam keinen davon zu fassen. Was für eine Höllenfahrt hatte er angetreten? Überwältigt schloss er die Augen, doch die Bilder des zuvor Erlebten prasselten nun wie Steinschlag auf ihn ein: Häuser, immer wieder Häuser, riesige Bauwerke, schreiend bunte Farben, blinkende Lichter, lärmende Menschen, Fuhrwerke … stöhnend ließ er den Kopf gegen die Wand sinken.
    Er hätte nicht sagen können, wie lange er dort gesessen hatte, Minuten oder Stunden, er wusste es nicht. Als er die Beichtkammer verließ, fühlten sich seine Beine wacklig an, er hatte Mühe, sich aufrecht zu halten. Trotz der wollenen Jacke frierend, schleppte er sich ein paar Schritte voran, starrte durch das riesige Kirchengewölbe, während die Worte des Geistlichen durch seinen Kopf hallten. ZweihundertJahre. Ihm war schlecht. Er klammerte sich an ein Stehpult mit leuchtend roter Platte, versuchte die Aufschrift zu erkennen, doch seine Sinne verweigerten ihm den Dienst. Alles verschwamm. Zweihundert Jahre. Er stieß einen leisen Angstschrei aus, so dass die Umstehenden zurückwichen, stolperte zum Ausgang und drängte durch die Menge auf den Domplatz hinaus. Luft. Zweihundert Jahre.
    Ohne zu überlegen, wandte er sich nach links, humpelte den im Geiste geläufigen Heimweg die Churhausgasse entlang, die Häuser rechts und links ein stummes Spalier zur Unkenntlichkeit verkleideter Ballbesucher, allein ihr Gehabe war ihm bekannt, schien die Maskerade Lügen zu strafen. Mit jedem Schritt, der ihn der Wohnung in der Rauhensteingasse näher brachte, ging sein Atem rascher, er stürzte die letzten Meter durch die kaum noch vertraute Häuserflucht.
    Jäh blieb er stehen. Rang nach Luft. Starrte hinauf. An der Stelle, an der noch gestern sein Wohnhaus gestanden hatte, trutzte fremdes Bauwerk, als hätte es seit jeher dort seinen Platz. Ein Haus bis in den Himmel, fünf Stockwerke zählte er, reich mit Ornamenten verziert, daneben ein Kasten aus Glas, der, nur von dünnen Eisenstangen gehalten, in der Luft zu hängen schien; man konnte hineinsehen und doch wieder nicht, da war nichts, was dem Auge Halt geboten hätte, stattdessen nur der Widerschein des Gebäudes gegenüber, so dass Wolfgang vom Hinsehen noch übler wurde.
    Zögernd, als könne der kalte Stein ihn sekkieren, legte er seine Fingerspitzen auf den Eckpfeiler. Fast hätte er die marmorne Tafel übersehen, sie war so hoch über ihm angebracht, dass er den
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