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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)
Autoren: Eva Baronsky
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Allmächtige musste seine Gründe haben.
    Musik! Naturellement – es ging um Musik, das wusste er, und nichts anderes zählte. Bedächtig nickend, schob er sich weiter die Straße entlang, zurück bis zum Stephansdom, der offenbar einzigen Requisite, die man nicht hatte fortschaffen können.
    Wolfgang tastete am Profil der Mauern entlang, über die unwirklich vertrauten Steinquader. Die Kanten bröckelten, sein Finger glitt durch eine Fuge, Sand rieselte heraus. Über ihm ragte der Südturm in den schwergrauen Himmel. Wolfgang legte die Arme auf den Stein, sah hinauf, hoch und höher, fühlte sich eins werden mit diesem ehernen Bauwerk, diesem Mittler zwischen Himmel und Erde, das ebenso unerschütterlich der Zeit trotzte wie er. Und ganz allmählich überkam ihn Ruhe und eine Ahnung von Zuversicht. Der Herr hatte ihn zu sich gerufen, an diesen neuen, alten Ort, und ER würde ihn leiten, würde ihm Halt geben.
Inter oves locum praesta.
Langsam drehte Wolfgang sich um, die schützende Mauer in seinem Rücken, und ließ den Blick durch die wuselige Menschenmenge gleiten.
***
     
    »Was haste denn da?« Jost wischte sich die Spülhände an der Jeans ab und zog an dem Papier, das unter Ennos Pullover hervorschaute. Ein Bündel beschriebener Blätter rutschte heraus und verteilte sich auf dem Boden.
    »Pass doch auf!« Rasch bückte sich Enno und raffte die Bögen wieder zusammen.
    »Was is’n das für’n geheimes Zeug?«
    »Pscht.« Enno legte den Zeigefinger an seine Lippen und deutete mit dem Kopf in Richtung von Anjus Zimmer. Dann stieß er den Papierpacken mit der Kante auf den Tisch, wiederholte es mit der anderen Seite, bis er ein glattes Bündel erhielt. »Das hat der Typ von heute Morgen vergessen. Seine Noten.«
    »Na und? Schmeiß den Scheiß in den Müll, was willste denn damit? Den sehen wir doch sowieso nie wieder. Hoffentlich.«
    Enno schüttelte den Kopf. »Schau, was für eine Mühe der sich gemacht hat.« Er hielt Jost die Seiten hin, die eng mit feinen Notenpunkten beschrieben waren, als hätte ein winziges, quirliges Tier darauf seine Fußspuren hinterlassen. »Das bringe ich nicht fertig.«
    Jost stieß einen Laut aus, hob die Schultern und wandte sich wieder dem Spülwasser zu.
    Enno rollte die Seiten zusammen und war schon auf dem Weg in sein Zimmer.
    »Hey, mach ich jetzt alles allein oder was?«
    »Ich komm ja gleich«, rief Enno zurück. Er stieß beinahe mit Anju zusammen, die mit ausgestreckten Armen einen Berg dunkelrosa Bettwäsche vor sich hertrug und ihm den Blick eines Pitbullterriers zuwarf. Hastig schob er die Papiere in sein Regal, irgendwo in einen Spalt zwischen den oberen Buchkanten und dem darüberliegenden Bord.
***
     
    Wie eine Liebkosung stieg ihm ein ernüchternd irdischer, doch unwiderstehlicher Geruch nach Gebratenem in die Nase. Er sah sich nach der Quelle um. Schräg vor dem Domportal, zum Graben hin, war eine weiße Bude aufgebaut, davor standen Leute an hohen Tischen nebeneinander, bissen in Würste und starrten ins Leere. Ihm war schlecht vor Hunger und Durst. Wie ein jäher falscher Tontraf ihn die Erkenntnis, dass man das Geld gewiss nicht abgeschafft hatte. Dringend würde er zu ein paar Münzen kommen müssen, doch bis er das auf ehrbare Weise bewerkstelligen konnte, würde er verhungert sein.
    Er stellte sich an der Bude an, las die gedruckte Aushangtafel wie ein fremdes Wörterbuch. Erst am Ende der Tafel fand er etwas, das er kannte.
    »Zwei Würschtel, bitte.«
    Ohne eine Miene zu verziehen, fischte der Budenbesitzer mit einer hölzernen Zange das Gewünschte aus einem Topf und stellte ein dünnes weißes Schälchen auf den Tresen.
    »Zweiachtzig.«
    »Einen Augenblick, bitte«, erklärte Wolfgang und begann angelegentlich in seinem Hosensäckel zu kramen, der Budenbesitzer ließ derweil die Augen nicht von ihm.
    »Gütiger Himmel, was ist das?« Wolfgang zeigte mit entsetztem Gesicht nach oben, schnappte sich blitzschnell die Würste und schoss zwischen den Passanten davon. Es war, als liefe er über Messerklingen, er biss sich vor Schmerz auf die Lippen, doch die weißen Schuhe waren wie gemacht zum Laufen.
    »So ein Fallott, ein Elender!«, hörte er den Budenbesitzer hinter sich schreien.
    Wolfgang rannte, bis er den Dom schützend hinter sich wusste. Atemlos drückte er sich am Nordturm in eine Mauernische, wo er voller Gier abwechselnd in die zwei Würste biss, sie mit beiden Händen hielt, um sich die Finger daran zu wärmen.
***
     
    Piotr hielt den
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