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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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Geschichte von der gefangenen Bewegung und erstaunlicheren Wundern als die im heilenden Lachen von Maritha und Mariko. Hier, in diesem Wagnis entstand das Außergewöhnliche, das Magische, das Wunderbare und sogar das Seltsame aus dem Gewöhnlichen und Vertrauten. Seine Reisebegleiter kannte er als Arbeiter im Schrein. Aber sie wirkten jetzt anders auf ihn. Nyawĩra kam ihm anders vor. Mit den Augen anderer Menschen sah er die Berge von Eldares vollkommen neu.
    Sie brachten ihn zu ihren Gehöften, wo sie Nahrungsmittel anbauten: Hirse, Yams und Pfeilwurz sowie verschiedene aburĩrische Beeren. Überall starb die aburĩrische Erde, weil sie mit Schadstoffen, importierten Düngemitteln, bespritzt wurde. Hier aber arbeitete man mit der Natur, nicht gegen sie. Der Wald war eine Schule, in die sie öfter gingen, um zu hören, was er ihnen zu sagen hatte: Du nimmst und du gibst, denn wenn du nur nimmst, ohne etwas zurückzugeben, erschöpfst du den, der gibt, bis er stirbt. Die Gärten waren Schulen für Heilpflanzen, deren Samen auf Feldern in anderen Gebieten ausgesät werden konnten; die Heilung des Landes musste irgendwo beginnen.
    Sie brachten ihn zu einer Höhle auf der anderen Seite des Wasserfalls, vielleicht sogar eine, die er damals Nyawĩra gezeigt hatte. Man hatte sie zu einem Wohnort umgebaut. Drei Männer und zwei Frauen empfingen sie freundlich. Sie hatten Gewehre über ihren Schultern hängen. „Wir bilden hier aus“, erklärte Nyawĩra, als hätte sie die Gedanken Kamĩtĩs gelesen. Einer der Männer dort nahm die Erzählung auf.
    „Die sogenannte nationale Armee ist eine koloniale Einrichtung. Man hat sie trainiert, ihr eigenes Volk zu hassen. Die Soldaten hassen sogar sich selbst, weil ihnen der Nationalstolz ausgetrieben wurde. Diese angeblich für die Freiheit kämpfenden, zum Töten ausgebildeten Nationalisten, wie können die ein Gefühl für die Nation haben, gegen deren Entstehung sie gekämpft haben? Diese Haltung geben sie an die neuen Rekruten, an die Jugend weiter. Mit der Zeit werden diese Traditionen des in der Kolonialzeit wurzelnden Selbsthasses verinnerlicht.“
    „Unser Motto dagegen ist einfach“, sagte ein Mädchen. „Eine neue Armee für ein neues Aburĩria, in dem nicht das Gewehr die Politik bestimmt, sondern eine Politik der Einheit das Gewehr bestimmt, um Gesetze für soziale Gerechtigkeit zu schützen. Diese Waffen sind dazu da, unser Recht auf den politischen Kampf zu schützen, und kein Ersatz für den politischen Kampf.“
    Ein anderer Mann nahm den Faden auf: „Weißt du, bislang waren wir trotz unserer Auflehnung nicht in der Lage, die Handlanger des Regimes für den Mord an unserem Volk zur Verantwortung zu ziehen.“ Nyawĩra fügte hinzu: „Es wird bestimmt ein Tag kommen, an dem wir es diesen bewaffneten Ungeheuern unmöglich machen werden, ihren Terror fortzuführen, ohne sie die Konsequenzen spüren zu lassen. Dann werden wir auf unserem Terrain kämpfen, und das ist das Volk, das wissen und daran glauben soll, dass wir sie verteidigen und ihr Recht auf ein besseres Leben schützen wollen.“
    Durch unterirdische Tunnel führten sie ihn zu einer anderen Höhle, einen großen Raum voller Bücher. „Wie früher der Herrscher hasst der Imperator Bücher und die Ideen, die aus ihnen kommen“, erklärten sie.
    „Wir glauben daran, dass unser Erbe alles Wissen ist und wir gleichzeitig die Pflicht haben, diesem Bestand noch etwas hinzuzufügen. Das Recht zu nehmen, die Pflicht zu geben.“
    Ja, Worte, die Nyawĩra und er verwendet hatten, die ihm jetzt aber ganz und gar fremd vorkamen. Vielleicht war Wissen nichts anderes als die Kunst, das, was wir bereits kennen, mit anderen Augen zu sehen und andere Fragen zu stellen. Wissen ist die Entdeckung des Geheimnisvollen im Gewöhnlichen. Wie bei Worten, die man zu einem Lied macht. Tief in Gedanken darüber versunken, hatte er nicht bemerkt, dass man ihn in einen weiteren geräumigen Komplex geführt hatte: ein Krankenhaus, ein Nachbau des Schreins.
    „Wir haben alles zu diesem Ort transportiert“, sagte Nyawĩra, die erneut seine Gedanken las. „Hierher haben wir dich an dem Abend gebracht, an dem du angeschossen wurdest. Hier wurdest du operiert und die Kugel wurde herausgeholt. Wir möchten, dass du die Leitung dieser Einrichtung übernimmst und sie zu einer Schule der Gesundheit und des sauberen Lebens in Übereinstimmung mit den Sieben Kräutern der Tugend machst. Wir versuchen, uns eine andere Zukunft für
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