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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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loyalen Oppositionsparteien erwischte es mit heruntergelassenen Hosen. Zunächst tauchten ihre Anführer unter, als sie jedoch merkten, dass die Streitkräfte fest hinter dem Imperator standen, kamen sie aus ihren Löchern gekrochen. Sie versuchten, Strategien zu ersinnen, mit denen sie unter dem neuen Regime überleben und Vorteile erlangen konnten. Jede Verlautbarung aus dem Imperial Palace, wie das ehemalige State House nun hieß, nahmen sie bis ins Kleinste auseinander. Abgesehen von einigen Nebensächlichkeiten wie seinem Dekret, das alle Klassiker in toten Sprachen und alle Schriften von Descartes verbot, schlugen die Bekanntmachungen des Imperators aber keine allzu hohen Wellen.
    Sogar die vier Söhne des ehemaligen Herrschers, Runyenje, Moya, Soi und Kucera, unterschrieben ein Dokument, das bestätigte, dass ihr Vater dem SIV erlegen war. Im Gegenzug ließ der Imperiale Staat alle Anklagen wegen Geldwäsche und Drogenhandel gegen sie fallen.
    Sie wurden in Ehren aus dem Militärdienst entlassen, doch die vier Undankbaren entwischten nach Europa, wo sie behaupteten, die rechtmäßigen Erben des aburĩrischen Throns zu sein, und eine Exilregierung bildeten, an deren Spitze einer von ihnen als königlicher Präsident stand, der zweite königlicher Vizepräsident war, der dritte königlicher Premierminister und der vierte königlicher Stellvertretender Premierminister, und sich öffentlich darüber stritten, ob alle vier Posten auch exekutive Gewalt beinhalteten.
    Auf internationalem Parkett folgten der offiziellen Anerkennung durch Washington bald weitere nach. Nur an der häuslichen Front stand es nicht zum Besten. Vinjinia weigerte sich, Imperatorin Beatrice zu werden, was sie damit begründete, für diese royalen Spielchen zu alt zu sein. Sie wäre zufrieden, sich um Haus und Besitz zu kümmern. Sollte Tajirika eine offizielle Nationalhostess ernennen wollen, würde sie keinen Einspruch erheben, solange die Hostess nicht die Grenze überschreite und das eheliche Lager entweihe.
    Der Höhepunkt von Tajirikas Aufstieg zur Macht kam, als er eine Rede an das Volk hielt und das Ende von Baby D verkündete. Eine neue Ära imperialer Demokratie sei angebrochen, sagte er, und befahl die Errichtung eines modernen Kolosseums an der Stelle, die einst für Marching to Heaven vorgesehen war.

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    Und dann erhob auf einmal der Herr der Krähen wieder sein Haupt und verdarb die gute Stimmung. Wer hätte gedacht, dass mitten im Imperial Palace ein Toter auferstehen könnte?
    Es begab sich, dass einige Sicherheitsleute, als sie ein selten genutztes Zimmer reinigten, auf ein Haarbüschel stießen, das sorgfältig in einer kleinen Plastiktüte eingeschlossen war. Das Zimmer war zuletzt vom verhafteten Herrn der Krähen kurz vor seiner Ansprache an die Volksversammlung benutzt worden, das wussten die Männer jedoch nicht. Es waren Kahiga und Njoya, die neu ernannten imperialen Scharfrichter, die das Tütchen erkannten, das sie dem Herrn der Krähen im Keller der All Saints Cathedral übergeben hatten und das alle Haare enthielt, die sie vor ihrer rücksichtslosen Entlassung gesammelt hatten. Wie war es in den Imperial Palace gekommen?
    Diese Frage bereitete Imperator Titus Flavius Vespasianus Whitehead Kopfzerbrechen, bis er schließlich die bärtigen Geister konsultierte, die ihm mit dem Hinweis auf die Krokodile im Red River einen Ausweg wiesen. Kein Zauber, nicht einmal von den Toten, könnte aus dem Bauch dieser Ungeheuer entweichen. Aber wie sollten die Ungeheuer Menschenhaar schlucken, ohne die dazugehörige Person?
    Eines Abends wurde Kaniũrũ als angesehener Künstler zum Essen in den Imperial Palace eingeladen und dazu verleitet, Fleischklöße zu essen, in die Haarreste des Herrn der Krähen eingearbeitet waren. In derselben Nacht brachten Njoya und Kahiga, in freudiger Erwartung ihrer süßen Rache, Kaniũrũ zum Red River. Was sie nicht wussten, war, dass auch sie Brot mit Haaren des Herrn der Krähen gegessen hatten und die vier maskierten Geister sie am selben Flussufer bereits erwarteten. Im Magen der Krokodile vom Red River wurden sie mit dem Herrscher vereint. Der Fluss wurde später in Imperial River umbenannt und die geschuppten Echsen hießen in Anerkennung der Tatsache, dass sie jegliche Bedrohung durch den Herrn der Krähen verschluckt hatten, von nun an Imperial Crocs.

11
    Nichts hätte Kamĩtĩ, Nyawĩra und die Bewegung für die Stimme des Volkes auf die Ereignisse in Aburĩria vorbereiten können,
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