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Gottes Zorn (German Edition)

Gottes Zorn (German Edition)

Titel: Gottes Zorn (German Edition)
Autoren: Olle Lönnaeus
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Kapitel  1
    K urz nach Mitternacht stieß Joel Lindgren die Haustür auf und trat auf die Verandatreppe, um dem Sturm zu lauschen.
    Es roch nach Schwefel und Eisen.
    Eine ganze Weile lang stand er still da und ließ seinen Blick über die weite, flache Landschaft schweifen. Außer dem tobenden Schneetreiben war nichts weiter zu erkennen. Würde es denn nie aufhören?
    Dieses Unwetter war das schlimmste, das er je erlebt hatte. Schon drei Tage und Nächte lang hielt es das Land fest in seinen Klauen. Die Straßen waren wieder zugeschneit, und der Schneeräumdienst schien längst die Hoffnung aufgegeben zu haben, sie befahrbar zu halten.
    Joel musste an die Krähen denken, die auf den vereisten Stromleitungen kauerten. Wahrscheinlich erfroren sie jetzt da draußen. Irgendwo in der kalten Dunkelheit würden sie lautlos zu Boden fallen und in den Schneewehen begraben werden.
    Während er nur in Hemdsärmeln dastand, erfasste ihn eine Windbö. Vielleicht ließen sich die Wettergötter ja mit seinem Saxophonspiel in die Flucht schlagen, ging es ihm durch den Kopf. Aber er konnte sich nicht aufraffen, das Instrument zu holen. Er geriet aus dem Gleichgewicht und griff nach dem Geländer. Das Dach des Holzschuppens knarrte und ächzte. Es war ein Wintersturm, der mühelos Kiefern umknicken und Eichen mitsamt ihren Wurzeln aus dem Boden reißen konnte.
    Da meinte er jemanden rufen zu hören.
    Joel horchte angestrengt.
    Ach, alles nur Einbildung!
    Ein letzter tiefer Atemzug, dann ging er wieder rein und schob noch ein paar Holzscheite in den Kachelofen. Er schüttelte sich vor Kälte. Der Laptop auf dem Küchentisch zeigte an, dass der Akku sich beinahe entladen hatte. Der Schnaps war ausgetrunken, die Flasche leer.
    Eigentlich war Joel todmüde. Doch in seinen Beinen spürte er ein Kribbeln wie von tausend Ameisen. Irgendetwas lag in der Luft.
    Als sein Handy klingelte, war er nicht überrascht.
    «Hallo …»
    Es rauschte schwach. Jemand atmete schwer. Dann hörte er eine verwaschene Stimme. «Komm her. Es ist eilig. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit …»
    Noch bevor Joel antworten konnte, wurde die Verbindung unterbrochen.
    Er starrte lange auf das Telefon, ohne zu wissen, was er tun sollte. Hatte der andere aufgelegt? Oder war es der Sturm?
    «Schaumschläger …», brummte er schließlich.
    Doch in seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Warum zum Teufel rief der alte Kauz ausgerechnet jetzt an?
    Schließlich fasste er einen Entschluss. Er würde sich auf den Weg machen, aber auf keinen Fall unbewaffnet. Nie im Leben! Gunnar hatte doch kürzlich etwas von einer alten Schrotflinte gesagt.
    Auf der Kellertreppe schlug ihm der Geruch nach Rattendreck und verfaulten Äpfeln entgegen. Joel schaltete das Licht ein und hörte das Rascheln fliehender Nagetiere. Er stolperte und griff nach dem Geländer. Schüttelte heftig den Kopf, um den Suff loszuwerden. An der Decke surrte eine Neonröhre. Mitten im Raum, zwischen Möbelstücken, Werkzeug und rostigen Gartengeräten, stand ein Eichenschrank mit einer Spiegeltür, deren Glas gesprungen und mit Fliegenschiss übersät war. Durch den Dreck hindurch starrte ihn jemand an. Ein Mann mit strubbeligen blonden Haaren und weit aufgerissenen grünblauen Augen. Er wirkte ängstlich, wie ein kleiner Junge. Als die Tür aufglitt, verschwand er im Dunkel.
    Joel musste niesen und schnaubte Staub aus.
    Dann sah er, dass im Schrank Kleidung hing. Ein fleckig grauer Militärmantel mit Schaffellfutter verbreitete einen muffigen Geruch. Joel zog ihn über.
    Ich muss mich gegen die Kälte schützen, dachte er.
    Hinter den von Motten zerfressenen Klamotten fand er, was er suchte: die Winchester.
    Es war eine ansehnliche Waffe mit ziselierten Dekorationen auf dem Lauf und blankgewetztem Walnussholzkolben. Daneben lagen eine Pappschachtel mit Munition und ein Lederriemen.
    Mit ungeschickten Fingern klappte er den Lauf auf und steckte ein paar Schrotpatronen hinein. Dann griff er sich eine Axt von der Hobelbank und schob den Schaft zwischen Hose und Gürtel.
    Bereit, stellte er fest.
    Es waren weniger als drei Minuten vergangen, seit die Stimme am Handy in der Unendlichkeit verschwunden war.
    ***
    E s dauerte eine Weile, bis Joel begriff, dass sein Auto unter der Schneewehe neben dem Holzschuppen begraben war. Er fluchte im Stillen, da begann die Lampe über der Veranda zu flackern. Für einen kurzen Moment wurde alles schwarz.
    Doch dann kamen das Licht und die Schatten wieder. Auf die
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