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Herbstmilch

Herbstmilch

Titel: Herbstmilch
Autoren: Anna Wimschneider
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konnte ich nachschauen. Bei Rohrnudeln dagegen ging das nicht, die sind dann zusammengefallen, und wenn sie auf den Tisch kamen, war wieder eine Watschn fällig. Es ging ja noch an, wenn ich sie vom Vater bekam, aber die großen Brüder gaben auch noch eine dazu. Ich habe das Salzen vergessen, meine Gedanken waren bei den Geschwistern, die in der Stube gespielt haben. Wenn es dann oft recht wild zuging, und sie haben beim Fangen oder Blinde-Kuh-Spielen etwas zerbrochen, ging es an mir aus, weil ich auf die Geschwister nicht aufgepaßt habe. Und wenn die drei großen Brüder am Boden miteinander gerauft haben, daß es der Vater draußen noch hörte, dann kam er mit einer Gerte herein und schlug wahllos drein. Dann war für diesmal wieder Ruhe.
    Nach einiger Zeit brachte der Vater den Kleinsten wieder heim, weil die alte Taufpatin vom Schlaf nicht mehr aufgewacht war. Wir haben uns über den kleinen Ludwig sehr gefreut, er war noch ganz klein und konnte noch nicht richtig reden. Damals hatten Buben und Mädchen im Alter bis zu drei Jahren die gleichen Kleider an. Das war einfach, wenn eines mal mußte, so konnte man es schnell aufs Topferl setzen, eines von den anderen Geschwistern mußte dann was vormachen, da blieb es schon sitzen.
    Milch und Kartoffeln und Brot gehörten zu unserer Hauptnahrung. Abends, wenn ich nicht mehr richtig kochen konnte, weil wir oft von früh bis vier Uhr nachmittags Schule hatten und dann erst in der Abenddämmerung heimkamen, da haben wir für die Schweine einen großen Dämpfer Kartoffeln gekocht. Die kleinen Kinder konnten kaum erwarten, bis er fertig war, schliefen dann aber doch auf dem Kanapee oder auf der harten Bank ein. Wir mußten sie dann zum Essen wecken. Weil wir soviel Hunger hatten, haben wir so viele Kartoffeln gegessen, daß für die Schweine nicht genug übrigblieb. Da hat der Vater geschimpft. Der Hans hat einmal 13 Kartoffeln gegessen, da hat der Vater gesagt, bist du narrisch, du frißt mehr wie eine Sau, friß nicht so viel, es bleibt ja nichts mehr für die Sau.
    Von Zeit zu Zeit kam mal eine Nachbarin und schaute nach, wie es so ging und was ich machte. Anfang des vierten Schuljahres mußte ich zur Meieredermutter gehen, um jetzt Brotbacken und Großwäschewaschen zu lernen. Wir machten es daheim dann genauso, der Vater und ich. Wir hatten auch den gleichen Waschzuber wie die Meieredermutter. Erst haben wir die Wäsche über Nacht eingeweicht, dann wurde sie von mir und Vater ausgewrungen, aufgelockert und in den Zuber gelegt. Oben auf die Wäsche kam ein großes Leinentuch, in das Birkenholzasche gestreut wurde, dann wurde kochendes Wasser draufgeschüttet, das war die Lauge für die Wäsche, Waschpulver hatten wir keines. Nach einigen Stunden wurde diese Lauge unten aus dem Zuber gelassen. Jetzt wurde die Wäsche auf der Waschbank mit Kernseife eingerieben und gebürstet. Ich stand auf meinem Schemel, denn ich war zu klein für die Waschbank.
    Beim Brotbacken war es umgekehrt, wir mußten den Backtrog auf den Boden stellen, weil ich da zum Teigkneten mehr Kraft hatte. Wir haben immer auf einmal 16 Laib Brot gebacken, ein einzelner Laib wog vier bis fünf Pfund. An jedem Tag aßen wir drei Laib. Einen zur Morgensuppe, einen verbrauchten wir Kinder in der Schule zum Pausenbrot, und den dritten Laib Brot aßen wir am Abend. In der Schule hatten wir zwei Pausen, die kleine, die war 15 Minuten, und die große Mittagspause, eine ganze Stunde. Weil ich in der überfüllten Mädchenbank keinen Platz mehr hatte, kam ich neben einem Buben zu sitzen, der mir im Auftrag seiner Mutter jeden Tag eine Rohrnudel mitbrachte. Das habe ich dieser braven Bäuerin nie vergessen.
    Vater sagte immer, drei Laib Brot müssen für einen Tag langen. Doch es reichte nicht immer, wir aßen dann wieder die Schweinekartoffeln, und der Vater sagte, ihr Kinder eßt mich noch arm. Beim Essen saß das eine kleine Kind auf Vaters Schoß und links und rechts auch eines, die langten alle in Vaters Teller. Abends gab es zumeist Dampfnudeln, die konnte ich recht schön machen, mit brauner Kruste. Ich gab sie mit der Kruste nach oben in eine große Schüssel, die wurde auf einen eisernen Dreifuß gestellt, und unten drinnen stand eine große Schüssel mit Gurken, Milch oder Kletzenbrühe. Das sah recht appetitlich aus, so daß wir wieder neuen Hunger bekamen. Es mußten immer ganz große Portionen sein, zwei Tiegel oder Reinen voll. Den Großvater haben wir auch nicht vergessen, dem habe ich sein Essen
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