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Herbstmilch

Herbstmilch

Titel: Herbstmilch
Autoren: Anna Wimschneider
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und die Mutter hat in ihren alten Tagen noch einen schönen Lebensabend.

    *

    Das Vieh war verkauft, die Ställe leer. Mein Mann hat nun gut verdient und die zweite Hälfte des Hauses umgebaut. An den Wochenenden und im Urlaub war er fleißig dran. Bis der zweite Teil ganz fertig war, sind Jahre vergangen, aber er hat alles selbst gemacht. Nun aber war es an der Zeit, den Kindern ihr Erbteil zukommen zu lassen. Darum haben wir die Grundstücke verkauft und die Kinder ausbezahlt. Mit ihrem Erbe und mit ihrem selbstersparten Geld haben die Kinder, jedes für sich, eine Eigentumswohnung gekauft. Nun bleiben sie für immer in der großen Stadt.
    Seit eineinhalb Jahren war ich jetzt nicht mehr im Krankenhaus. Es geht mir besser. Wir haben noch die Hofstelle und einen großen Garten mit allem Gemüse und vielen Blumen rund ums Haus. Das ist meine größte Freude. Jetzt ist mein Wunsch endlich doch in Erfüllung gegangen, den ich seit meiner Kindheit hatte, ich kann mich nun ausschlafen, ich darf schlafen, so lange ich mag.
    Mein Mann ist nach zehn Jahren im Betrieb in Rente gegangen. Er hat einen schönen Abschied gehabt, und ich bin dabeigewesen. Der Chef hat ihm einen schweren Zinnteller gegeben, und mein Mann war bei seinen Kollegen beliebt, das habe ich gesehen.
    Als wir das erste Auto kauften, waren wir die letzten in der Gegend, die eines bekamen. Das hatte die Leute oft gewundert, aber wir wollten erst den Betrieb in Ordnung haben, als für ein Auto Schulden machen. Noch heute sagen die Leute, daß sie das nicht verstehen können, daß wir die Landwirtschaft aufgegeben haben. Aber es war schon richtig, wir hätten es nicht mehr schaffen können.
    An Arbeit fehlt es mir nicht, denn nach den Erdbeeren, da geht das Fruchtsaftmachen an, von den Himbeeren, den Johannisbeeren und später dem Holler. Im Herbst sind noch die Weintrauben und die Äpfel dran. Das begann alles mit einigen hundert Flaschen, und nun bin ich bei über tausend angelangt. Mein Mann sagt, ich bin eine Ziege, die immerzu meckert, wovon soll ich denn satt sein, ich spring nur über Gräbelein, wie im Märchen. Doch den Saft, den trinken alle gern.
    Nun fahren wir oft zu den Kindern nach München, oder sie kommen zu uns. Albert und ich sind beide glücklich und zufrieden wie nie in unserem Leben. Wir schauen zurück auf die vergangene Zeit, und oft habe ich in den letzten Jahren den Wunsch gehabt, meine Geschichte aufzuschreiben. Das habe ich nun getan.
    Wenn ich noch einmal zur Welt käme, eine Bäuerin würde ich nicht mehr werden.

Verzeichnis der wichtigsten Dialektausdrücke

    aufgupfen: aufhäufen
    benzen: quengeln
    Drischlege: Dreschfest
    ein Seifensieder aufgehen: ein Licht aufgehen, etwas bemerken
    Fletz: Hausflur
    Froasen: Krämpfe
    Gickerl: junger Gockel
    Getreidemandl: Hocke (auf dem Feld zusammengesetzte Garben)
    granteln: schlecht gelaunt sein, nörgeln
    Hafen, Haferl: Topf, kleiner Topf
    Hoamat: Heimathof
    Hocka: Axt
    Holler: Holunder
    Kanapee: Sofa
    Kirm: Rückenkorb
    Kletzen: getrocknete Birnen
    Krand: Wasserbehälter im Küchenherd
    Mahd: das Mähen, das Abgemähte
    Mascherl: Schleife
    Odel: Jauche
    Ratschweib: Klatschbase
    Rauhnachtsingen: Singen in der Nacht vor dem Dreikönigstag
    Reigerl: Kiefernzapfen
    Reine: Bratenpfanne
    Riegelhaube: Rottaler Tracht
    Schaueramt: Bittamt (gegen Hagel, etc.)
    Scheps: Dünnbier
    Stoatz: Lenkstange am Schlitten
    Trebernsuppe: Teigflockensuppe
    Trumm: großes Stück
    verhunakeln: verhunzen
    Watschn: Ohrfeige
    Wied: Reisig
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