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Herbstmilch

Herbstmilch

Titel: Herbstmilch
Autoren: Anna Wimschneider
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nicht mehr hatten, und sind vor Hunger und Kummer eingeschlafen. Der Vater hat uns dann schlafend ins Bett getragen.
    Der Vater suchte sofort eine Haushälterin, die kam auch. Das ging zwei Wochen mit ihr. Dann stellte sie die ganzen Zuber und Eimer, alles, was wir hatten, voll eingeweichter Wäsche auf die Bänke in der Stube und ging fort. Der Vater suchte wieder eine, die war auch nicht länger da, stellte auch die Wäsche auf die Bänke und verschwand. Wahrscheinlich hat die Wäsche jemand aus der Nachbarschaft gewaschen. Bügeln habe ich nie jemanden gesehen. Der Vater suchte dann eine Hochzeiterin, es wurde ihm diese und jene geraten, und immer stellte sich heraus, daß dieselben auch noch zwei, drei Kinder mitgebracht hätten. Da hat er sich überlegt, diese Frauen würden die ersten Kinder hinausdrücken und ihre Kinder als Erben einsetzen. Das wollte er nicht. Es ging dann überhaupt nicht mehr um. Die Kinder hatten Hunger.
    Meine Mutter hatte eine Nachbarin noch auf dem Sterbebett gebeten, meine Firmpatin zu sein. Die kam dann zum Melken, und dafür bekam sie eine Schürze voll Äpfel. Es war gerade Sommer, meine Mutter ist am 21 . Juli 1927 gestorben.

    *

    Es kam die Ernte, und die meiste Arbeit war da die Feldarbeit, und jeder hatte es satt, immer wieder zu helfen. Da dachte der Vater, ich muß mir selber helfen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als die Kinder arbeiten zu lassen.
    Der älteste war der Franz, noch nicht dreizehn Jahre, dem hat die Nachbarin das Melken gelernt, der zweitälteste war der Michl, elf Jahre, der mußte den Stall misten. Eine andere Nachbarin kam, um mir das Kochen und Flicken zu lernen und wie ich mit den kleinen Kindern umgehen muß. Ich war acht Jahre. Der drittälteste, der Hans, mußte auch mithelfen. Zum Futtereinbringen fürs Vieh mußten wir größeren Kinder alle hinaus. Um fünf Uhr war Aufstehen, der Vater nahm die Sense, ein Bruder die Schubkarre, wir Jüngeren hatten Rechen dabei. In einer Stunde war das Futter mit dem Schubkarren eingebracht, die Kleinsten haben noch geschlafen. Franz hat die beiden Kühe gemolken, die leicht zu melken waren. Die Nachbarin die anderen zwei, denn die waren zäh. Ich habe Feuer gemacht und die Milch gekocht, in die Schüssel gegeben, ein wenig Salz dazu und dann Brot eingebrockt. Dann standen wir alle um den Tisch herum, beteten das Morgengebet, den Glaube-an-Gott, und ein Vaterunser für die Mutter. Manchmal war auch eins von den kleinen Geschwistern schon aufgestanden, um das mußte ich mich kümmern, so daß ich kaum zum Essen kam. Nach dem Essen beteten wir das Dankgebet und wieder ein Vaterunser für die Mutter. Die Buben hatten sich schon gewaschen und gekämmt, so konnten sie noch den Gottesdienst vor Schulbeginn erreichen. Ich dagegen mußte erst die Kleinsten aus dem Bett holen, ihnen beim Biseln helfen, sie anziehen und füttern. Manchmal haben sie geweint, weil sie mit mir wohl nicht zufrieden waren. Großvater blieb noch im Bett. Ich konnte mich erst dann zur Schule fertigmachen, wenn der Vater von der Stallarbeit hereinkam. Nun lief ich so schnell ich konnte die vier Kilometer zur Schule. Dabei mußte ich oft anhalten, weil ich in der Seite ein starkes Stechen hatte, und oft kam ich erst an, wenn die erste Pause war. Da lachten mich die anderen Kinder aus.
    Es dauerte nicht lange, da sagten die Buben, im Haus ist alles deine Arbeit, das ist Dirndlarbeit. Nach der Schule kam die Meieredermutter, um mir das Kochen beizubringen. In meinem Beisein sagte der Vater zu ihr, wenn sich’s das Dirndl nicht merkt, haust du ihr eine runter, da merkt sie es sich am schnellsten. An Sonntagen lernte sie mir das meiste, da war keine Schule. Mit neun Jahren konnte ich schon Rohrnudeln, Dampfnudeln, Apfelstrudel, Fleischgerichte und viele andere Dinge kochen. Aber am Anfang habe ich auch viele Fehler gemacht, der Vater kam herein, schaute in den Ofen und sagte, ach Dirndl, du mußt ein größeres Feuer machen, so kannst du kein Fleisch braten. Das Wasserschiff im Ofen ist zuwenig gefüllt, wie oft muß ich dir das noch sagen, und schon gab es eine Watschn. Die Meieredermutter hat mich auch manchmal geschimpft, geschlagen hat sie mich aber nie.
    Bei der Arbeit mußte ich einen Schemel mittragen, weil ich so klein war, daß ich in keinen Topf gucken konnte. Auf den Herd schauen, Schemel hin, einheizen, Schemel weg, zur Anrichte, Schemel hin, wie oft ging das während des Kochens! Wenn es beim Fleischbraten aus dem Rohr geraucht hat,
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