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Herbstmilch

Herbstmilch

Titel: Herbstmilch
Autoren: Anna Wimschneider
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gute Arbeit geleistet hatte. Unser Franz ging einmal zur Schule, der Schafbock stieß ihn nieder, und weil das schon weitab vom Haus war und niemand ihn hören konnte, mußte er liegenbleiben, bis die anderen Kinder von der Schule zurückkamen und ihn fanden.
    Unsere Mutter war mit 39 Jahren gestorben, und eineinhalb Jahre nach ihr starb der Großvater, mit 91 Jahren. Es tat uns nun sehr leid, daß wir ihm keine Heidelbeeren gebracht hatten, als er noch lebte. Er hat vom Fenster seiner Kammer gerufen, wir sollten ihm welche bringen, wenn wir drunten spielten. Vielleicht wollte er uns nur wegschicken, weil es ihm zu laut war.
    Wenn Ostern war, wurden am Gründonnerstag die ersten Eier gefärbt. Wer dann zu Besuch kam, hat ein gefärbtes Osterei bekommen, auch die Kinder, die zu unseren Kindern kamen. Wenn wir zu jemandem gingen, war’s genauso. Dieser Brauch hat sich bis heute gehalten. Wer Dienstboten hatte, erlaubte den Knechten am Karfreitag und den Mägden am Karsamstag, sämtliche Eier abzutragen, die die Hühner am selben Tag gelegt hatten. Wer am Palmsonntag als letzter am Morgen vom Bett aufstand, wurde der Palmesel genannt und mußte sich schämen. Man hatte damals für jeden Monat viele Bauernregeln, die man bis heute nicht vergessen hat.

    *

    Es wird auch in diesem Jahr wieder viel Wein geben, weil die Weinstöcke noch keine Augen haben. Es heißt: Ist die Rebe Georgi noch blind, wird sich freun Mann, Weib und Kind. Wenn ich jetzt bei mir ums Haus gehe, sind alle Reben noch blind. Voriges Jahr war es auch so, und ich hab ganze Körbe voll Trauben bekommen, das gibt viel Saft. Der Kuckuck kommt am 18 . April, das hat schon der alte Onkel gesagt, und das stimmt auch, da hört man ihn zum erstenmal schreien. Und die Schwalben kommen an Maria Verkündung, am 25 . März, und am 8 . September fliegen sie wieder fort.

    *

    Früher waren bei allen Bauernhäusern Schwalben einquartiert. Es gab in den Schlafzimmern keine Weißdecken, sondern offene Holzbalken. Da mauerten die Schwalbenpaare ihre Nester mit viel Mühe auf. Das waren reine Kunstwerke aus Lehm und altem Gras. Ein Mensch hätte das nicht schöner gemacht. Als wir Kinder noch klein waren, haben wir die Vögel genau beobachtet. Zuletzt kamen in das Nest noch kleine Federl, damit es warm war. Unter das Nest am Boden haben wir dann Papier untergelegt. Und so fröhlich waren die Schwalben, haben uns viele schöne Lieder gesungen. Plötzlich waren Junge im Nest. Die Alten haben sie eifrig gefüttert. Fliegen, Heuschrecken, Mücken und Käfer haben die Alten für ihre Kinder gefangen und in die Schnäbel hineingestopft, die reihenweise aus dem Nest herausschauten. Beim Rausfliegen nahmen die Alten den Kot mit hinaus, so daß das Nest immer sauber war. Die Fenster im Schlafzimmer mußten immer offenbleiben, damit die Schwalben nicht behindert waren.
    Jetzt gibt es nur selten so ein altes Holzhaus, und niemand läßt die Schwalben mehr ins Haus. Es gibt noch Schwalben in den Ställen, aber sie sind des Lebens nicht mehr sicher, weil die Fliegen vergiftet werden. Einige nisten jetzt im Freien unterm Dach, aber es sind viel weniger als früher.
    Nun legten die Hühner auch wieder Eier, und der Eiermann holte sie ab. Der stellte seine Kirm auf dem Tisch ab und musterte die ganze Stube. Dann zeigte er mit seinem Stock in den Herrgottswinkel und sagte, das nächstemal möchte ich diese Spinnweben dort nicht mehr sehen. Ich habe mich sehr geschämt und dies bis heute nicht vergessen. Er hat dann auch keine mehr gesehen.
    An einem Samstag bekamen wir hohen Besuch, drei Klosterfrauen, Verwandte aus dem Kloster Mallersdorf. Die setzten sich auf die Stubenbänke und fragten mich nach dem und jenem. Dann fragten sie, ob ich heute am Samstag nicht ausputzen würde. Das tue ich jeden Samstag, sagte ich. Da meinten sie, das möchten sie sehen, sie würden so lange warten, bis ich geputzt habe. Da dachte ich mir, wenn das so ist, dann werde ich euch Weibern helfen, dann mache ich es auf die ganz schnelle Art. Euch werde ich hinaushelfen! Ich nahm einen vollen Eimer warmes Wasser, Schrubber, Besen, Putzlumpen. Dann ging’s los. Zuerst alle Kleidungsstücke an die Holzbalken gehängt, das Wasser mit Schwung über den Boden geschüttet, denen unter die Füße. Ich rannte barfuß mit dem Schrubber umher, daß es nur so spritzte. Da haben sie ihre Füße hochgezogen und ihre schwarzen Röcke in acht genommen. Dann kehrte ich das Wasser mit dem Besen vom Holzboden weg auf das
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