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Herbstfrost

Herbstfrost

Titel: Herbstfrost
Autoren: Georg Gracher
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Können entsprechend die häufig begangene Route über die Winklscharte
zum Gipfel nehmen.
    Wie hatte er dann eine Wand hinunterstürzen können, die sich ganz
woanders befand? Und warum hätte der bedächtige Gschwandtner seine
Routenplanung in letzter Sekunde ändern und den berüchtigten Schrofenweg über
den Winklkees wählen sollen? Der Pächter wusste es nicht.
    Wer sonst noch an diesem Tag zur Hochalmspitze aufgestiegen sei,
wollte der ermittelnde Beamte wissen. Trotz idealen Wetters sehr wenig Leute,
erinnerte sich der Wirt. Einige Einheimische, eine größere Gruppe Holländer und
drei junge Oberösterreicher. Letztere seien übrigens gleich nach Gschwandtner
losgegangen.
    Trotz hinreichender Nachforschungen gelang es nicht, die Identität
der drei Burschen festzustellen. Ein schlüssiger Beweis, dass Gschwandtner
nicht verunglückt, sondern ermordet worden war, konnte ebenfalls nicht erbracht
werden. Doch immerhin reichten die Verdachtsmomente aus, um auch die
Exhumierung Egon Scharfs zu erwirken.
    Bei Gschwandtners Kumpel wurde die Truppe von Gendarmeriehauptmann
Jacobi fündig. Laut erstem Obduktionsbericht war die Todesursache Herzversagen
gewesen, den Auslösefaktoren hatte man aber nicht mit letzter Konsequenz
nachgespürt. Schließlich war der Mann zweiundsiebzig Jahre alt und Raucher
gewesen. Nun aber wurde die Leiche noch einmal in der Gerichtsmedizin
untersucht, und man bemerkte den Einstich in der linken Achselhöhle.
    Der Rest war Routine. Jemand hatte Scharf auf dessen Heimfahrt eine
Atropinsulfat-Lösung injiziert. Ein Quantum, das für den Exitus eines Elefanten
gereicht hätte. Jacobis Leute suchten Scharfs Schwester auf, um den Ablauf des
entsprechenden Tages nachzukonstruieren. Die alte Frau beteuerte, ihren Bruder
nicht angerufen zu haben.
    In ihrer Gemeindewohnung lebte auch ihr Sohn Hermann. Alkoholkrank,
geschieden, arbeitslos. Einen ganzen Nachmittag ohne Sprit hielt er nicht mehr
durch. Ja, gab er schließlich zu, er habe seinen Onkel angerufen. Drei junge
Burschen hätten ihn in seiner Stammkneipe darum gebeten. Sie hatten Hermann
randvoll mit Bacardi abgefüllt, gab der Wirt zu Protokoll. Und Geld sei auch im
Spiel gewesen. Wie sonst hätte er am Ende eines Monats noch zwei Blaue haben
können?
    Hermann gestand weiter, der Onkel habe ihm, als er eintraf, eine
Szene gemacht und angekündigt, er werde zur Polizei gehen, falls seinem Freund
Gschwandtner auf der Hochalmspitze etwas zustoßen sollte. Er habe da so seine
Ahnungen aufgrund gewisser Vorfälle in der Villa Cermak.

VIER
    »Scharf wusste also irgendwas«, murmelte Sarah Feldbach.
»Und die Äußerungen, die er seinem Neffen gegenüber machte, führten schließlich
auch zu seiner Ermordung?«
    Vogt nickte. »Sie sagen es. Der Schaffner des Retourzuges kann sich
an den Abend noch erinnern. Kein Wunder: Er wollte dem betagten Fahrgast die
Endstation ankündigen und stieß im Abteil auf einen Toten.«
    »Und im selben Zug«, ergänzte sie, »saßen auch drei junge Männer in
schwarzen Lederjacken und schwarzen Jeans, hab ich recht?«
    »Sie kennen die Geschichte schon?«, fragte er mit hochgezogenen
Augenbrauen.
    »Häkerln Sie mich nicht! Erzählen Sie lieber weiter!«
    Rasch wurde Vogt wieder ernst. »Ja, sie waren im Zug. Saßen dem
Schaffner nach sogar kurze Zeit im Nebenabteil. Aber wie sollte er denn auch
ahnen, dass diese Typen die Mörder Scharfs waren? Immerhin kann er sich an sie
erinnern, aber das ist leider auch alles. Ihre Spur endete im Nichts – wie im
Fall Gschwandtner. Wir traten auf der Stelle, aber wenigstens bot die Analogie
beider Fälle, die Verbindung zur Villa Cermak, eine Handhabe für weitere
Ermittlungen. Jacobi hielt mich immer auf dem Laufenden, vor etlichen Jahren
war er als junger Leutnant meine rechte Hand. Beide Senioren waren anscheinend
getötet worden, weil sie etwas Brisantes entdeckt hatten. Präventivmorde also,
professionell geplant, aber eher dilettantisch ausgeführt. Die Diskrepanz ließ auf
die Befehlshierarchie einer größeren Gruppe schließen. Jacobi blieb also dran.
Nicht umsonst nennen ihn Kollegen und Medien auch den ›Terrier‹. Leopold Gruber
hatte ja noch von anderen überraschend Verblichenen in der Villa Cermak
berichtet, also wurden zwei weitere Damen exhumiert.«
    »Lassen Sie mich raten: Auch sie sind keines natürlichen Todes
gestorben?«
    »Bingo! Beide starben jeweils an einer Überdosis Rohypnol. Auch
diese Morde wären ohne Leopold Gruber wohl unentdeckt
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