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Herbstfrost

Herbstfrost

Titel: Herbstfrost
Autoren: Georg Gracher
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geblieben. Letztlich war
aber die Achillesferse der Meuchler einzig und allein die konservative
Landbevölkerung gewesen. Die Villa Cermak liegt nun einmal am Land, auch wenn
man bei Bedarf sofort in der Stadt ist.«
    »Was, bitte, hat das denn mit den Morden zu tun?«, fragte Sarah
Feldbach ein wenig verständnislos, als ein leises Wummern in der Ferne
allmählich in ihr Bewusstsein drang.
    »Gemach, gemach! Brandbestattungen sind am Land noch nicht die
Regel, trotzdem wurden verstorbene Cermak-Pensionisten in den letzten Jahren
auffällig oft eingeäschert. Das führte zu bestimmten Gerüchten. Um diesen nicht
neue Nahrung zu geben, hatte man bei Gschwandtner und Scharf auf Einäscherung
verzichtet, und auch die beiden zuvor angesprochenen verblichenen Damen wurden
konventionell beerdigt. Wären ihre Leichen verbrannt worden, hätte es Jacobi
wohl kaum geschafft, Cermak mit den Morden an Gschwandtner und Scharf in
Verbindung zu bringen. So aber hatte er kein schlechtes Blatt in der Hand. Er
knöpfte sich Cermak und ebenso Dr. Gotthelf vor, der für die Totenscheine
zuständig gewesen war. Grobe Fahrlässigkeit beim Ausstellen pathologischer
Befunde war alles, was man dem Arzt am Zeug flicken konnte. Cermak dagegen
hatte keine mächtige Interessenvertretung im Rücken, und so clever sein Anwalt
auch agierte, die pausenlosen Vernehmungen hielt er nicht durch. Die Beweislast
und die Ankündigung, weitere Gräber öffnen beziehungsweise die Urnenasche
untersuchen zu lassen, ließen ihn zusammenbrechen. Nach tagelangen Verhören
platzte er schier vor Bereitwilligkeit, sich den ganzen Dreck von der Seele zu
reden. Staatsanwalt und Untersuchungsrichterin hatten ihre helle Freude an ihm.
Wir jedoch nicht. Seine Geständnisse zeigten nur, wie weit wir davon entfernt
waren, den Fall abzuschließen.«
    ***
    Vogt hielt kurz inne und lauschte dem Rotorengeräusch des
Hubschraubers, das nun deutlicher zu hören war. Dann fuhr er fort: »Cermak war
nicht der Chef einer überschaubaren Leichenfleddererbande, wie wir zunächst
angenommen hatten. Im Gegenteil: Er schien nur ein kleines Rad zu sein – Täter
und Opfer zugleich. Jahrelang hatte er seinen Schutzbefohlenen mit schmutzigen
Tricks Geld aus der Tasche gezogen. Für besonders hinfällige Gäste war er sogar
zeichnungsberechtigt gewesen, und nicht wenige hatte er beerbt – zulasten ihrer
nächsten Verwandten. Wie gesagt: Cermak hatte dieses Vorgehen Jahre hindurch
praktiziert und war dabei immer leidlich diskret vorgegangen. Aber irgendwann
lässt die Gier alle Aasgeier unvorsichtig werden. Bei Cermak war es vor drei Jahren
so weit gewesen, als er einer herzkranken Frau lebensrettende Medikamente
vorenthalten hatte. Hatte es anscheinend nicht erwarten können, die reiche,
anhanglose Witwe zu beerben.«
    »So eine wie mich«, warf Sarah Feldbach ein.
    »Ja, eine wie Sie«, bestätigte Vogt. »Doch der Clou kommt erst noch:
Irgendwann ist die Schweinerei einem noch größeren Aasgeier aufgefallen, und
der hatte Cermak dann am Haken. Cermak musste von da an die Hälfte jedes
ergaunerten Schillings auf ein Nummernkonto in Liechtenstein überweisen. Bis
heute hat er keine Ahnung, mit wem er sein Blutgeld teilte. Kommunizierte mit
dem geheimnisvollen Mitwisser immer nur über wechselnde Telefonnummern. Er
lieferte die Infos, die Person im Hintergrund bestimmte von nun an das Tempo.
Sie zwang ihn, Patienten in immer kürzeren Abständen tödliche Mengen Rohypnol
zu verabreichen.
    Vier weitere Meuchelmorde blieben unbemerkt, erst der Argwohn
Gschwandtners und Scharfs brachte Cermak & Co. letztlich in Zugzwang. Die
eilig ausgeführten Aktionen hatten Pannen zur Folge. Die größte von ihnen: Sie
übersahen den ebenso unauffälligen wie diskreten Pensionär Gruber. Exekutive
und etliche Senioren, die nun am Leben bleiben, sind dem alten Lehrer zu Dank
verpflichtet. Ich wäre zum Beispiel allein nie auf den Gedanken gekommen, die
drei Schwarzledernen könnten Ihnen etwas antun. So aber sind sie mir
aufgefallen, als ich sie zwei Tage hintereinander in der Nähe vom ›Grünen Baum‹
hab rumlungern sehen. Sie gaben hohe Trinkgelder und fragten die Bedienung aus
– und zwar nur nach einem Gast. Nach Ihnen, Frau Feldbach! Aber Auskünfte
einholen, das konnte ich immerhin auch. Gelernt ist schließlich gelernt. Als
Sie gestern Mittag zu Ihrer Tischnachbarin sagten, Sie wollten heute bei
Sonnenaufgang am Reedsee oben sein, da stand für mich fest, dass ich Sie
begleiten würde – in
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