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Herbstfrost

Herbstfrost

Titel: Herbstfrost
Autoren: Georg Gracher
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einfach.«
    »Quatsch nicht so lang, Rolf! Du weißt, es ist uns strengstens
untersagt, mit Delinquenten zu sprechen.« Der zweite Schwarzlederne war nervös
geworden. Während er sprach, vermied er es, Sarah Feldbach anzusehen, und
starrte stattdessen angestrengt hinauf zu jener Lücke im Latschengebüsch, die
den Weg ins Tal markierte.
    »Mach dir nicht gleich in die Hosen, Gerd«, wies Rolf ihn lässig
zurecht. »Falls du dich ablenken willst, kannst du den Sack mit Steinen füllen.
Aber vorher bringst du mir noch die Wäscheleine.« Er wirkte konzentriert, als
er einen Totschläger aus der Lederjacke zog.
    »Halt! Keine Bewegung! Eine Pistole ist auf euch gerichtet.«
    Die beiden Burschen zuckten zusammen, als hätte jemand einen Böller
gezündet.
    »Langsam umdrehen!« In der Männerstimme lag Autorität und die
unmissverständliche Bereitschaft, zu handeln.
    Gerd und Rolf wandten sich um. Ein alter Mann in Wanderkleidung
stand vor ihnen. Groß, hager, mit kurz geschnittenem weißem Haar. Er hatte
bestimmt mehr als siebzig Jahre auf dem Buckel, wirkte aber kein bisschen
greisenhaft. In der rechten Hand hielt er eine Pistole. Woher er so plötzlich
gekommen war, konnten sich weder die Schwarzledernen noch Sarah Feldbach
erklären.
    ***
    »Komm, Opa, bleib cool! War doch alles nur Spaß. Wir wollten die
Oma doch nur ein wenig erschrecken. Ist das Ding überhaupt geladen?« Rolf
schien den ersten Schock schon weggesteckt zu haben. Anscheinend war er der
Hartgesottenste von den dreien.
    »Das Ding ist eine Glock«, sagte der
Weißhaarige, »und wenn du noch einen Schritt in meine Richtung machst, wirst du
sofort feststellen, ob sie geladen ist.«
    »Is’ ja gut. Reg dich mal ab, Opa! Was soll das Theater überhaupt?
Willst du hier die große Wildwestshow abziehen, oder was?«
    »Ich ziehe gar nichts ab. Aber ihr zieht ab, und zwar sofort! Und
baut lieber nicht auf den guten Otti, der ist sicher schon über alle Berge.
Oder vielleicht doch nicht?«
    Der scharf peitschende Knall überzeugte Rolf. Die Glock war geladen.
Um den dritten Schwarzledernen aus den Latschen hochzuscheuchen, hatte der Alte
einen Schreckschuss abgefeuert. Er musste Augen haben wie der sprichwörtliche
Luchs.
    »Komm raus, Otti, sonst wird die Sache für uns alle gefährlich!«
    Otti war das schwächste Glied in der Gruppe. Wahrscheinlich hatte
man ihn deshalb weggeschickt, bevor man Ernst machen wollte. Nur der Wunsch,
vor seinen Freunden zu glänzen, mochte einen Mitläufer wie ihn letztlich
bewogen haben, sich an den bewaffneten Fremden heranzupirschen. Jetzt kam er
mit erhobenen Händen aus der Deckung.
    »Sehr vernünftig«, schnarrte der Alte. »Und nun schnappt eure
Rucksäcke und verschwindet! Sollte ich euch auf dem Weg ins Tal irgendwo sehen,
schieße ich ohne Warnung.«
    Die drei ließen sich das nicht zweimal sagen. Nach einer solchen
Baisse kamen sie mit einem Unentschieden noch verdammt gut davon. Eine Minute
später waren sie nicht mehr zu sehen.
    »Können Sie aufstehen, Frau Feldbach?« Die Stimme des Mannes klang
ruhig und entspannt. Ganz anders als vorhin, als es für sie beide um Leben und
Tod gegangen war. Sarah Feldbach betrachtete das faltige, braun gebrannte
Gesicht. Es wirkte asketisch, aber nicht unsympathisch. Eine volkstümliche
Ausgabe von Gregory Peck, stellte sie amüsiert fest. Hoffentlich wusste er das
nicht. Männer waren so grenzenlos eitel.
    »Ich glaube schon«, sagte sie. Mit seiner Hilfe erhob sie sich, aber
ihre Knie waren noch immer weich wie Pudding.
    »Ich heiße Bernd Vogt«, sagte er, während er rasch ihre Sachen in
den Rucksack zurückpackte. »Über alles andere reden wir später. Wir müssen
schleunigst von hier weg. Und zwar hinauf, nicht hinunter! Die drei Typen
werden zunächst einmal Kassasturz machen, und dabei wird ihnen eines rasch klar
werden: Sie dürfen es nicht dazu kommen lassen, dass wir nach dem, was passiert
ist, mit der Außenwelt in Verbindung treten. Unter keinen Umständen! Das würde
für sie Gefängnis bedeuten. Also werden sie uns einen Hinterhalt legen.«
    »Ich glaube immer noch zu träumen«, sagte sie. »Sind diese
Wahnsinnigen wirklich hier gewesen?«
    Vogt nickte energisch. »Ja. Und sie werden zurückkommen – und auch
wenn sie einen gewaltigen Dachschaden haben: Für das, was sie vorhaben, langt
ihr Grips allemal. Sie werden alles daransetzen, uns noch in der Senke zu
erwischen. Auf keinen Fall lassen sie uns ins Tal absteigen, und den Weg zur
Palfnerscharte hinauf
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