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Herbst - Beginn

Herbst - Beginn

Titel: Herbst - Beginn
Autoren: David Moody
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und als ich es sah, gab ich meinen stetig wachsenden Schuldgefühlen nach und änderte meinen Plan. Ich beschloss, anzuhalten und dem Fahrer zu berichten, was ich gesehen hatte. Zu zweit fühlt man sich sicherer, dachte ich. Ich würde mit dem Fahrer zur Unfallstelle zurückfahren und mit ihm gemeinsam die Polizei verständigen. Alles würde in Ordnung sein.
    Ich irrte mich. Als ich mich dem Wagen näherte, erkannte ich, dass er angehalten hatte. Ich wurde langsamer und bremste auf gleicher Höhe. Der Fahrersitz war leer. Es waren noch drei Personen im Fahrzeug, und sie waren alle tot – eine Mutter auf dem Vordersitz und ihre zwei Kinder auf der Rückbank. Ihre Gesichter waren vor Schmerz und Panik verzerrt. Ihre Haut war hellgrau, und an der Leiche des Kindes, das mir am nächsten war, konnte ich ein Rinnsal Blut sehen, das zwischen den Lippen hervortrat und das leblose Gesicht hinunter rann. Langsam fuhr ich weiter. Ein paar Meter weiter die Straße entlang stieß ich auf den verschwundenen Fahrer, der ausgestreckt auf dem Asphalt lag. Ich musste über den grasbewachsenen Straßenrand ausweichen, um ihn nicht zu überrollen.
    Ich hatte eine Scheißangst. Den ganzen Heimweg weinte ich wie ein kleines Kind.
    Ich bin nicht ganz sicher, aber bis ich zurück in Northwich war, hatte ich wohl an die vierzig bis fünfzig weitere Leichen gesehen. Die Straßen waren übersät mit Toten. Es war bizarr – die Menschen schienen einfach an Ort und Stelle umgekippt zu sein. Was immer sie gerade getan hatten, wohin sie gerade unterwegs gewesen waren, sie waren einfach umgefallen.
    Die Situation war so unerwartet und unerklärlich, dass ich erst an diesem Punkt an die Sicherheit meiner Familie dachte. Ich trat das Gaspedal voll durch und traf wenig später vor meinem Haus ein. Hektisch sprang ich aus dem Van und rannte zur Tür. Meine Hände zitterten so stark, dass ich anfangs nicht in der Lage war, den Schlüssel ins Schloss zu stecken. Schließlich gelang es mir, und ich öffnete die Tür und wünschte mir sofort, ich hätte es nicht getan. Im Haus herrschte Stille.
    Ich preschte hoch ins Schlafzimmer, und dort fand ich die beiden. Sarah und unser wunderschönes kleines Mädchen, beide tot. Gemmas Gesicht war in einem stummen Schrei erstarrt. Rings um ihren Mund, auf Sarahs weißem Nachthemd und auf den Laken prangte Blut. Beide waren noch warm. Ich schüttelte sie und schrie sie an, aufzuwachen und mit mir zu reden. Sarah wirkte von Grauen erfüllt. Ich versuchte, ihre verängstigten Augen zu schließen, um den Eindruck zu erwecken, sie schlafe bloß, aber es gelang mir nicht. Sie wollten nicht geschlossen bleiben.
    Ich konnte es nicht ertragen, sie zu verlassen, aber ebenso wenig konnte ich es ertragen, dort zu bleiben. Ich musste raus. Ich legte Gemma mit ihrer Mutter ins Bett, gab beiden einen Abschiedskuss und zog die Laken über ihre Köpfe. Dann verließ ich das Haus, verriegelte die Tür hinter mir und ging einfach drauflos.
    Stundenlang watete ich durch die Leichen und schrie um Hilfe.
    2
    Michael Collins
    Da stand ich also: vor einer Klasse mit dreiunddreißig Sechzehnjährigen, sprachlos und mit vollen Hosen. Ich war von meinem Chef als Freiwilliger für einen dieser Berufsinformationstage in den Schulen auserkoren worden. Einer dieser Tage, an denen die Schüler nicht ihren Lehrern beim stundenlangen Labern zuhören mussten, sondern Opferlämmern wie mir, die ihnen erzählten, wie wundervoll doch die Arbeit wäre, die sie in Wahrheit verachteten. Ich hasste es. Ich hasste es, vor Publikum sprechen zu müssen. Ich hasste es, mich verstellen zu müssen und zu lügen. Und ich hasste die Gewissheit, dass mein monatlicher Bonus verringert würde, wenn ich das hier nicht täte – und wenn ich es vor allem nicht gut täte. Mein Chef war der Meinung, wir Angestellten des mittleren Managements wären die Aushängeschilder der Firma. In Wirklichkeit gab es uns nur, damit er sich hinter uns verstecken konnte.
    Mein Vortrag dauerte nicht lange.
    Ich hatte mir einige Notizen gemacht, die ich wie einen Schild vor mir hielt. Innerlich fühlte ich mich recht ruhig, aber das Zittern der Notizblätter schien der Klasse den Eindruck zu vermitteln, ich wäre vor Aufregung wie gelähmt. Die sadistischen Sechzehnjährigen stürzten sich sofort auf diese vermeintliche Schwäche. Würde ich husten müssen oder bei einem Wort stocken, wäre ich verloren.
    »Unsere Arbeit bei Caradine Computers ist sehr vielfältig und interessant«,
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