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Herbst - Beginn

Herbst - Beginn

Titel: Herbst - Beginn
Autoren: David Moody
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eingekehrt.
    Unwillkürlich ging ich die Stufen zum Haupteingang hinab. Am Fuß der Treppe lag der Körper eines Jungen ausgestreckt auf dem Boden. Er konnte nicht älter als elf oder zwölf Jahre gewesen sein. Ich hockte mich neben ihn und streckte vorsichtig die Hand nach ihm aus. Als ich sein totes Fleisch berührte, zog ich sie ruckartig zurück. Es fühlte sich kalt, klamm und unnatürlich an, beinah wie feuchtes Leder. Ich zwang mich, meine Angst und Abscheu zu überwinden, packte ihn an den Schultern und rollte ihn auf den Rücken. Wie bei den anderen, die ich gesehen hatte, war auch sein Gesicht gespenstisch bleich und verschmiert mit Blut und Speichel. Ich beugte mich zu ihm hinab, so weit ich es wagte, und brachte mein Ohr vor seinen Mund. Ich hielt die Luft an und horchte auf das leiseste Geräusch von Atmung. Dabei wünschte ich, die plötzlich so still gewordene Welt würde noch leiser, damit ich irgendetwas hören könnte. Es war hoffnungslos. Da war nichts.
    Ich trat ins Sonnenlicht des kühlen Septembers und überquerte den verwaisten Schulhof. Ein einziger kurzer Blick auf die Verwüstung außerhalb der Schultore genügte, um mich erkennen zu lassen, dass sich draußen dasselbe wie im Gebäude zugetragen hatte. So weit das Auge reichte, übersäten Leichen die Straßen.
    In den sieben Stunden, seit es passierte, habe ich niemanden mehr gesehen.
    Mein Haus ist kalt und sicher, aber ich fühle mich nicht in Sicherheit. Ich kann hier nicht bleiben. Ich muss weiter Ausschau halten. Ich kann unmöglich der Einzige sein, der noch lebt.
    Die Telefone funktionieren nicht.
    Es gibt keinen Strom.
    Das Radio ist tot.
    Ich hatte noch nie eine solche Scheißangst.
    3
    Emma Mitchell
    Krank, frierend und müde.
    Ich fühlte mich elend. Deshalb beschloss ich, meine Vorlesung ausfallen zu lassen und zu Hause zu bleiben. Ich hatte eines jener Fieber, bei denen mir zu heiß war, um im Bett zu bleiben, aber zu kalt, um aufzustehen. Ich fühlte mich zu krank, um etwas zu tun, gleichzeitig aber zu schuldig, um tatenlos herumzusitzen. Eine Zeit lang hatte ich versucht zu lernen. Als mir klar geworden war, dass ich fünf Anläufe für ein und denselben Absatz gebraucht hatte und nie über die dritte Zeile hinausgekommen war, hatte ich aufgegeben.
    Meine Mitbewohnerin Kayleigh war schon seit fast zwei Tagen nicht mehr zu Hause gewesen. Sie hatte angerufen, also wusste sie, dass ich krank war, und sie hatte versprochen, Milch und Brot zu besorgen. Ich verfluchte sie, während ich die Küchenschränke nach etwas Essbarem durchstöberte. Sie waren leer, daher musste ich mich wohl oder übel selbst aufraffen und einkaufen gehen.
    Eingewickelt in meine dickste Jacke wankte ich schniefend zum Laden am Ende der Maple Street. Dabei fühlte ich mich blass, erbärmlich und durch und durch bemitleidenswert.
    Drei Kunden (mich eingeschlossen) hielten sich in Mr. Rashids Geschäft auf. Zuerst schenkte ich keinem von ihnen besondere Aufmerksamkeit. Ich stand da und feilschte mit mir selbst um ein paar Pennys mehr für meine Lieblings-Spaghetti-Sauce, als ein alter Kerl auf mich zutaumelte. Den Bruchteil einer Sekunde, ehe er mich berührte, nahm ich ihn beiläufig wahr. Er streckte die Hand nach mir aus und packte mich am Arm. Der Mann rang nach Luft. Es sah aus, als hätte er einen Asthmaanfall oder etwas Ähnliches. Ich steckte erst im fünften Semester meines fünfjährigen Medizinstudiums und hatte keine Ahnung, was mit ihm los war.
    Sein Gesicht war aschfahl, und der Griff um meinen Ärmel verstärkte sich. Ich fing an, mich zu winden, wollte mich von ihm losreißen, aber es gelang mir nicht. Ich ließ den Einkaufskorb fallen und versuchte, seine knochigen Finger von meinem Arm zu lösen.
    Ein plötzliches Geräusch hinter mir ließ mich über die Schulter zurückschauen: Der andere Kunde war gegen ein Verkaufsregal gestürzt. Dosen, Gläser und Lebensmittelpackungen krachten zu Boden. Der Mann lag dazwischen auf dem Rücken, hustete und hielt sich gekrümmt vor Schmerzen die Kehle.
    Ich spürte, wie sich der Griff um meinen Arm lockerte, und wandte mich wieder dem alten Mann zu. Tränen unerklärlicher Qual und Angst liefen ihm über die ausgemergelten Wangen hinab, während er nach Atem rang. Offensichtlich blockierte ihm etwas die Kehle, aber ich hatte keine Ahnung was. Allmählich begann mein Gehirn zu arbeiten, und ich dachte darüber nach, ihm den Kragen zu öffnen und ihn hinzulegen. Bevor ich etwas tun konnte, öffnete er den
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