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Herbst - Beginn

Herbst - Beginn

Titel: Herbst - Beginn
Autoren: David Moody
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befand sich in der Umgebung. Ich blieb stehen, wendete und fuhr zurück zur Unfallstelle. Ich konnte nur daran denken, dass der Fahrer mir und meinem Fahrverhalten die Schuld geben würde und dass sein Wort gegen das meine stünde; Himmel, wenn er mich vor Gericht zerrte, hätte er vermutlich gute Chancen. Außerdem dachte ich, dass ich meinen Job verlieren würde und meinem Chef erklären müsste, was passiert war … Und verdammt, ich kam nicht mal auf die Idee, der andere Fahrer könnte verletzt sein, bis ich ihn zusammengesackt über seinem Lenkrad sah.
    Ich hielt ein paar Meter hinter der Unfallstelle an und stieg aus, um zu helfen. Meine Beine fühlten sich schwer an – ich wollte nicht nachsehen, aber ich wusste, dass ich es tun musste. Als ich mich dem Fahrzeug näherte, erkannte ich das ganze Ausmaß des Schadens. Der Wagen hatte den Baum mit einer derartig hohen Geschwindigkeit gerammt, dass der Kühler beinahe vollständig um den Stamm gewickelt war.
    Ich öffnete die Fahrertür (sie war verklemmt, und es dauerte ein wenig, ehe ich sie aufbekam). Der Fahrer war schätzungsweise um die fünfunddreißig Jahre alt, und ich musste ihn nicht berühren, um zu wissen, dass er tot war. Sein Gesicht war so heftig gegen das Lenkrad geschleudert worden, dass seine Nase zertrümmert war. Seine toten Augen starrten mit einem Blick zu mir empor, der mir das Gefühl vermittelte, er gäbe mir die Schuld an dem, was gerade geschehen war. Blut strömte aus dem weit offen stehenden Mund und den Überresten der Nase. Es tropfte nicht; fast eine Minute ergoss sich das dicke karmesinrote Blut buchstäblich aus dem Körper und sammelte sich um die Füße des Toten auf dem Boden zu einer Pfütze.
    Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was ich tun sollte. Einige Sekunden stand ich wie ein Volltrottel da, schaute zuerst die Straße rauf und runter und starrte dann auf den Dampfstrahl, der aus dem Kühler des zerschmetterten Wagens in die kalte Morgenluft emporschoss. Mir war speiübel, und als das Zischen endlich verstummt war, konnte ich nur noch das unablässige Tropfen von Blut hören. Es lag erst kurze Zeit zurück, dass ich gegessen hatte. Ich warf erneut einen Blick auf den Leichnam und spürte, wie ich die Kontrolle über meinen Magen verlor. Hastig sank ich auf die Knie und übergab mich ins Gras am Straßenrand.
    Nachdem die Übelkeit verklungen war, rappelte ich mich auf die Füße und ging zum Van zurück. Ich griff nach dem Telefon darin. Wenngleich ich für den armen Teufel im Auto nichts mehr tun konnte, war mir klar, dass ich wenigstens irgendetwas tun musste. Auf seltsame Art war es einfacher zu wissen, dass er tot war. Ich konnte der Polizei einfach berichten, dass ich hier lang gefahren sei und den gegen den Baum gefahrenen Wagen entdeckt hätte. Schließlich musste niemand wissen, dass ich hier war, als der Unfall geschah.
    Das verdammte Telefon funktionierte nicht.
    Da stand ich also, mitten in der Landschaft unmittelbar außerhalb einer größeren Stadt, und bekam kein Signal. Ich schüttelte das Telefon, schwenkte es in der Luft und schlug es sogar gegen den verfluchten Van, aber die Meldung ›Kein Netz‹ verschwand einfach nicht von der Anzeige. Ich konnte nicht klar denken. Drei oder vier Mal versuchte ich, den Notruf zu wählen, erreichte damit aber gar nichts. Es klingelte nicht einmal. Das Telefon piepste mir nur weiter den Signalton für ›nicht verfügbar‹ ins Ohr.
    Unwillkürlich dachte ich: Wenn niemand wissen musste, dass ich den Unfall gesehen hatte, dann brauchte auch niemand wissen, dass ich derjenige war, der ihn entdeckt hatte. Wenn ich jetzt daran zurückdenke, dass ich als nächstes zurück in den Van stieg und vorhatte, nach Hause zu fahren, wird mir regelrecht übel. Ich beschloss, die Polizei oder sonst jemanden von dort aus anzurufen und zu melden, dass ich ein verlassenes Auto am Straßenrand gesehen hätte. Die Leiche musste ich gar nicht erwähnen. Es muss wohl an den Auswirkungen des Schocks gelegen haben. Normalerweise bin ich kein so rückgratloses Arschloch.
    Ich war benommen, fast wie in Trance. Ich stieg zurück in den Van, ließ den Motor an und fuhr zurück in die Richtung der Stadt. Im Rückspiegel starrte ich auf das verunglückte Fahrzeug, bis es außer Sicht geriet, dann trat ich aufs Gaspedal.
    Es folgten noch einige weitere Kurven, bevor die Straße sich über eine gute halbe Meile kerzengerade vor mir erstreckte. Nicht weit entfernt erblickte ich ein anderes Auto,
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