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Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Titel: Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt
Autoren: Herder
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Kaffeebars? Man reibt sich die Augen (ein letztes Mal, denn es steigen keine Rauchschwaden mehr auf ) und staunt nicht schlecht.
    In der Mitte des Jahrzehnts gilt die Kritik am Rauchen als politisch mehrheitsfähig und kennt – ganz wörtlich – keine Grenzen mehr. Im Januar 2007 erklärt die EU-Gesundheitskommissarin, dass Raucher durch ihr Rauchen jedes Jahr 79.000 Nichtraucher in der Europäischen Union töten. Diese Zahl mag statistisch richtig sein, Folgerungen lassen sich nicht daraus ziehen. Fünf Jahre zuvor wäre eine solche Pressemitteilung noch undenkbar, weil politisch nicht korrekt gewesen.
    Parallel zu seiner juristischen Verbotsgeschichte, ja vielleicht sogar als Voraussetzung dafür, erlebt das Rauchen einen sozialen Niedergang. Eine Zigarette gilt plötzlich nicht mehr als Genuss-, sondern als Suchtmittel. Wer sich eine Zigarette ansteckt, entschuldigt sich dafür.
    Jede Zigarettenschachtel entschuldigt sich für das, was in ihr steckt. Den Hinweis, dass Rauchen der Gesundheit schadet, lässt der Gesetzgeber zunächst kaum leserlich in der Fußzeile von Zigarettenwerbung platzieren, später aber immer deutlicher und auffälliger. In Deutschland prangen seit dem 1. Juli 2004 unmissverständliche Warnungen in großen Lettern auf jeder Zigarettenpackung, wie „Rauchen in der Schwangerschaft schadet Ihrem Kind“ (für Frauen) oder „Rauchen kann die Spermatozoen schädigenund schränkt die Fruchtbarkeit ein“ (für Männer). Auch das Format dieser Hinweise wurde genau geregelt, sie müssen auf die Vorderseite einer Schachtel zu 30 Prozent, die Rückseite zu 40 Prozent bedecken.
    Mit dem Niedergang des Rauchens kann die Politik unbekümmert die Tabaksteuer erhöhen. Raucherinnen und Raucher zahlen immer mehr für eine Zigarette. Zuerst wird das Päckchen Zigaretten teurer, dann bleibt der Päckchen-Preis konstant, doch stecken weniger Zigaretten in der Schachtel. Inzwischen verlieren sich die Zigaretten im Päckchen. Und das Päckchen wird wieder teurer.
    Der Preis einer Schachtel „Ernte 23“ liegt im März 1956 bei 1,75 DM (für junge Leserinnen und Leser: Deutsche Mark). Heute kostet ein Päckchen 4,70 Euro.
    Kein Mensch würde freiwillig ein Produkt, das in so kurzer Zeit so viel teurer wird, weiter kaufen (mit Ausnahme vielleicht von Benzin). Frauen und Männer nehmen die Abzocke nur deshalb hin, weil sie von der Zigarette nicht lassen können.
    Unser Protagonist gehört zu den Rauchern, die gar nicht daran denken aufzuhören. Mit seiner auskömmlichen Rente wird Helmut Schmidt den steigenden pekuniären Bedarf für Zigaretten verkraften.
    Seit Mitte 2007 darf (nach Italien, Irland und vielen skandinavischen Ländern) auch in England nicht mehr an öffentlichen Orten geraucht werden. 2008 zieht die Schweiz nach. In Deutschland schlagen sich die Raucher im Abwehrkampf tapfer. Die Politiker trauen sich lange nicht, die qualmenden Gäste in Kneipen, Bars und Restaurants zu vergraulen, doch als sie es schließlich tun, wird der Nikotinkonsum gründlich ausgetrieben. Im November 2006 beschließt der Deutsche Bundestag ein weitreichendes Tabak-Werbeverbot. Reklamen für Tabakwaren in Zeitungen, Zeitschriften sowie im Internet sind seither untersagt. Nur Kinound Plakatwerbung für Zigaretten bleibt erlaubt. Der Bundestag setzt mit diesem Beschluss eine EU-Richtlinie um.
    Im März 2007 einigen sich die Ministerpräsidenten der Bundesländer auf ein weitgehend einheitliches Rauchverbot in Gaststätten.Rauchen soll dort grundsätzlich verboten und nur in abgetrennten Räumen erlaubt sein. Ein totales Rauchverbot tritt am 1. September 2007 zunächst in öffentlichen Gebäuden sowie Bussen und Bahnen in Kraft. Von diesem Tag an gibt es auch bei der Deutschen Bahn ausnahmslos Nichtraucherzüge.
    Mit der Erfindung des am Boden mit gelben Streifen markierten Raucherquadrats an Bahnsteigen, in das sich Raucher und Raucherinnen seither einfinden müssen, erreicht die Gettoisierung dieser Bevölkerungsgruppe einen Höhepunkt. Wer sich außerhalb der Begrenzungslinien eine Zigarette ansteckt, wird von Passanten wüst beschimpft.
    Auf Flughäfen werden zum Zweck der Raucher-Separation moderne Menschenkäfige aus Plexiglas geschaffen. Das Glas ist vom vielen Rauch längst milchig geworden.
    Nur mit deutscher Gründlichkeit ist zu erklären, dass ausgerechnet das feierfreudige Bayern zum Vorreiter der rauchfreien Bundesländer wird. Von 2008 an ist die Zigarette in Restaurants und Kneipen tabu, Nebenräume für
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