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Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Titel: Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt
Autoren: Herder
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Eindruck, ein starker Raucher zu sein. Zugleich macht er mit seiner in Jahrzehnten verfeinerten Raucherpose einen starken Eindruck.
    Eine wichtige Rolle spielen auch die Rauchwaren selbst. Zigarillos zum Beispiel, diese aufgemotzten Zigaretten, zieren einen Raucher, der geziert wirken will. Zigarren wiederum sind die groben, schweren Keile, plump in der Erscheinung und massiv in der Geruchsbildung – man mag sie gern riechen oder man rümpft angewidert die Nase.
    Schließlich gibt es noch das Pfeifenrauchen, ein Raucherhandwerk, dem unser Protagonist in früheren Jahren gehuldigt hat, noch in den Siebzigern (die Rede kommt noch darauf ). Pfeifenraucher kochen den Tabak in einem dunklen Topf. Das mag besonders gut schmecken und das Leben – neudeutsch gesagt – entschleunigen, auf jeden Fall macht es höllisch viel Arbeit.
    Wer raucht heute eigentlich noch Pfeife? So wie unsere Großväter, so wie Inspektor Maigret, Sherlock Holmes oder der Sänger von „White Christmas“, Bing Crosby? So wie in der Politik Herbert Wehner (nahm er die Pfeife zum Schlafen aus dem Mund?), Helmut Schmidt (wie gesagt, zeitweise) und Helmut Kohl?
    Das Pfeifenrauchen galt von jeher als Angelegenheit von kontemplativen Menschen jeden Alters, von jungen Leuten, von Studenten und Schriftstellern. Sie wählten diese aufwendige Beschäftigung, weil sie nicht dichten mussten, solange der Pfeifentopf ihre Aufmerksamkeit band. Jedes Füllen, Befeuern und Entleeren einer Pfeife sorgte für die ersehnte Schreibpause.
    Auch für qualmende Intellektuelle ist die Blütezeit des Rauchenslängst vorbei. Der Niedergang begann in den siebziger Jahren. Die eingangs zitierten Werbesprüche der Zigarettenindustrie stammen allesamt aus dem Jahr 1972, als die deutsche Fußballmannschaft mit Franz Beckenbauer, Gerd Müller und Günter Netzer Europameister wurde, in München Olympische Sommerspiele stattfanden und Zigarettenwerbung in Zeitungen und Zeitschriften noch erlaubt war. Seit dem 18. Juni 1974 durften Zigaretten nicht mehr in Radio und Fernsehen beworben werden. Dabei gehörte das „HB-Männchen“, das in fröhlichen Zeichentrickfilmen „in die Luft ging“ und sich mit einer HB wieder beruhigte, bis dahin zum festen Begleiter einer ganzen Fernsehgeneration!
    Zum Schutz der Jugend schien damit zunächst genug getan. In den siebziger und achtziger Jahren erlebte die „alte“ Bundesrepublik trotz mancher Schwankungen eine Phase wirtschaftlichen Wachstums, mit fröhlichen Bürgerinnen und Bürgern, von denen viele unbekümmert rauchten. Die aufkommende Umweltbewegung focht das Rauchen nicht an, die meisten „Ökos“ rauchten ja selbst (keine Marlboro, sondern selbst gedrehten Tabak-Feinschnitt). Das war, in der Rückschau betrachtet, die Ruhe vor dem Sturm der öffentlichen Empörung.
    So richtig an die Kippe geht es Deutschlands Raucherinnen und Rauchern von den neunziger Jahren an. Plötzlich werden rauchende Kolleginnen und Kollegen, wenn sie zum Glimmstängel greifen wollen, von den nicht rauchenden separiert. Wochenund monatelang währen Diskussionen um „Raucherzimmer“ in Betrieben. Die neue Einrichtung, bislang nur in feudalen Wohnungen und in Hotels bekannt, mag das „Austragstüberl“ zum historischen Vorbild gewählt haben. Die Raucherinnen und Raucher wehren sich gegen ihre Separation, genossen sie doch bislang größte Freizügigkeit bei der Ausübung ihrer Sucht. Sogenannte „Betriebsvereinbarungen“, zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung in hoffentlich rauchfreien Sitzungen beschlossen, nehmen ihnen jedoch vollends das Feuerzeug aus der Hand.
    Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Rauchverbot aus den Betrieben auf die Straße kommt. 2003 schlägt die Drogenbeauftragteder damaligen Bundesregierung ein generelles Rauchverbot in Privatautos vor. Andere Länder stehen der Anti-Raucher-Bewegung in Deutschland in nichts nach, ja geben zeitweise den Takt vor. Irland erlässt 2004 als erstes EU-Land ein weitreichendes Rauchverbot – gerade dieses Land mit seinen weltberühmten, stets verrauchten Pubs! Geraucht werden darf nur noch in Hotelzimmern, Gefängnissen und psychiatrischen Anstalten (der gemeinsame Nenner dieser drei Örtlichkeiten ist offensichtlich).
    Einen schweren Schlag gegen die Rauchkultur bedeutet das Rauchverbot 2005 in Italien. Restaurants, Büros und öffentliche Räume müssen fortan rauchfrei bleiben. Geraucht werden darf noch in separaten Räumen mit eigener Lüftung. Ein rauchfreies Italien? Rauchfreie
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