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Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Titel: Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt
Autoren: Herder
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Programme gab, was zwangsläufig gemeinsame Fernseherlebnisse schuf.
    Ingeborg H. erzählt mir, nachdem sie am Vorabend Helmut Schmidt bei Reinhold Beckmann erlebt hat, von dem starken Eindruck, den Schmidt wieder einmal auf sie gemacht habe. „Was für ein Mann, was für eine Persönlichkeit! Schade, dass wir solche Politiker nicht mehr haben.“
    Und sie ergänzt: „Haben Sie gesehen, wie viel er geraucht hat? Unglaublich, und das in diesem Alter! Wirklich ein toller Mann.“
    Im Fernsehen rauchen darf heute nur noch Helmut Schmidt.
    Auch wenn es Helmut Schmidt nie angestrebt hat, gerade er nicht: Seine politische Aussage ist von der rauchenden Performance nicht mehr zu trennen. Kein anderer Politiker hat es wie Helmut Schmidt geschafft, nicht nur als Politiker, sondern als rauchender Politiker zu gelten. Es ist unmöglich geworden, sich Helmut Schmidt ohne Zigarette zu denken. Bei ihm wurde die Zigarette zum geduldeten, sogar akzeptierten Markenzeichen – auch oder gerade in einer Zeit, in der dieses Laster längst geächtet ist.
    „Ich rauche unter drei“, hat jüngst ein führender Politiker in Berlin bekannt, er wünschte unter keinen Umständen seine Enttarnung. Kein Zweifel, bei Personen des öffentlichen Lebens gilt es längst als inadäquat, sich mit Zigarette zu zeigen. Ihr Rauchen wurde in den Privatraum verbannt. Dagegen wäre Helmut Schmidts Konterfei in der Zeitung, sein Auftritt bei Vorträgen oder im Fernsehen unvollständig, wenn er nicht an einer Zigarette ziehen würde. Die Leute wissen: Es ist nur eine Frage von Minuten, oft nur Sekunden, bis er zum ersten Glimmstängel greift. Diese Handlung wird Helmut Schmidt auf „Betriebstemperatur“ bringen, wie es „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo auszudrücken pflegt. Erst mit einer brennenden Zigarette wird Helmut Schmidt zu seiner vollen Form auflaufen.
    Natürlich, es gibt auch wütende Proteste gegen seine Performance; die Mitarbeiter der „Zeit“, in deren Redaktion Helmut Schmidt seine berufliche Verankerung hat, können ein Lied davon singen (oder eine Zigarette darauf rauchen). Ständig beschweren sich leidenschaftliche Nichtraucher über Schmidts vermeintlich verantwortungsloses Handeln, auch militante Anrufer, Brief- und Mail-Schreiber sind darunter. Doch so laut diese Leute auch krakeelen mögen, es handelt sich um ein kleines Häuflein, dem eine überwältigende Mehrheit von Schmidtfans gegenübersteht. Die meisten Deutschen legen Helmut Schmidt, dem alten, pflichtbewussten Mann, das Rauchen nicht als Verstoß gegen geltende Gesetze aus, sondern akzeptieren es als liebenswerte „Macke“, die man bei seiner politischen Lebensleistung hinnehmen muss.
    Die Popularität des Rauchers Helmut Schmidt ist die eine Sache, der Anspruch, den der Politiker Helmut Schmidt an sich selbst und seine Mitmenschen stellt, die andere. Der Umstand, dass Helmut Schmidt öffentlich raucht, widerspricht aller politischen und persönlichen Moral, die er seit Jahrzehnten proklamiert und auch selbst zu verkörpern sucht. Anders als andere Politiker seiner Zeit – etwa Franz Josef Strauß – und der Politiker-Generation nach ihm will er nichts predigen, für das er nicht auch persönlich einsteht. Persönliches Verhalten und politischer Anspruch, so Helmut Schmidts Credo, sollen miteinander zur Deckung kommen. Indem der Altbundeskanzler raucht, und das auch noch öffentlich, bricht er mit diesem Vorsatz. Er geht unter der Messlatte, die er für sich und andere gelegt hat, hindurch.
    Wer Helmut Schmidt zum Vortrag einlädt und seine Zusage erhält, fühlt sich geehrt, muss aber auch besondere Vorkehrungen treffen. Wulf Herzogenrath, der langjährige Direktor der Kunsthalle Bremen, hat dies für jenen Abend, an dem Helmut Schmidt in seinem Haus zu Gast war, nicht getan – und während der Veranstaltung mit dem Altkanzler Blut und Wasser geschwitzt. Es war versäumt worden, im Saal die Feuermelder abzustellen. Man konnte die Feuermelder tagsüber per Knopfdruck deaktivieren,nach 18 Uhr, außerhalb der üblichen Bürozeiten, war dies nicht mehr möglich. Man nahm an, dass sich zu späterer Stunde keine Personen mehr im Gebäude aufhalten würden ...
    Wenn ein Feuermelder anspringt (und viele tun es schon dann, wenn ihnen nicht Flammen, sondern bloß Zigarettenrauch in die elektronische Nase steigt), gibt es kein Halten mehr: Alarm wird ausgelöst, Feuerwehrleute rücken an. Selbst wenn denen glaubhaft versichert wird, dass Zigarettenrauch den Alarm
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