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PR TB 156 Der Löwe Von Akkad

PR TB 156 Der Löwe Von Akkad

Titel: PR TB 156 Der Löwe Von Akkad
Autoren: Perry Rhodan
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1.
    IN DER MASKE DES KARAWANENHERRN: Plötzlich einsetzender Sturm
schmetterte Sandkörner in unsere Gesichter und in die Augen der
Reittiere. Das winselnde Heulen des Windes riß ebenso abrupt
ab. In der Feme leuchtete ein Flächenblitz. Irgendwo rechts
schrie dumpf die Löwin auf. Fast lähmend ergriff mich die
Ahnung unausweichlicher Schrecken. Wir hatten die Grenze
überschritten und befanden uns in fremdem Gebiet. Vor uns lag
eine riesige Ebene, unabsehbar in ihrer Ausdehnung. Sie war
gegliedert in eine Unzahl von Hügeln, grüner, gelber und
brauner Flecken. Dazwischen leuchteten im letzten Licht die Windungen
vieler Flüsse und Bäche. Alles sah aus wie ein eigenartiges
Muster. Ein Mosaik, dessen Bedeutung ich erkennen mußte.
    Eisiger Schrecken packt mich. Ich stöhne auf und drehe mich
um. Ich sehe meine drei Begleiter, die Schleier vor die Gesichter
gezogen haben als Schutz gegen den Sand. Weit hinter uns ist die
Karawane zurückgeblieben. Ich blicke nach vorn und - in die
Vergangenheit. Ich kenne diesen Teil der Welt. Kenne ich ihn
wirklich? Ich war hier, das ist sicher. Wann war ich hier? Ich habe
hier Schmerzen und Kämpfe, Leid und Liebe erfahren.
    Unsere Augen sahen in Wirklichkeit weiter, deutlicher und mehr.
Aus hundert Erzählungen kannten wir das Land und seinen
mächtigen König, den „Löwen von Akkad" und
den „Liebling der Ishtar". Wir kannten auch die Berichte
schneller Kämpfe und Überfälle der kleinen,
kriegerischen Nomadengruppen. Er hatte sie aus seinem Reich
vertrieben; jetzt machten sie die Grenzen unsicher. Das Land unter
uns, das sich zwischen den beiden Meeren ausbreitete, war von den
Flüssen Buranun und Idiglat durchzogen, von vielen Nebenflüssen
und unzähligen Bächen. Ihr Muster glich einen verworrenen
Spinnennetz. Irgendwo südwestlich, in der Richtung des
herannahenden Gewittersturms, lag das Ziel unserer Karawane. Das
letzte Sonnenlicht meißelte mit seinen Schatten das Land vor
uns heraus. Alles war klar, die Luft war völlig durchsichtig.
Und wieder jaulte der Wind auf und schleuderte Sand und Staub den
langen, bis zur untersten Ebene fallenden Hang hinauf.
    Ich versuche, meine Erinnerungen zu beobachten. Wann war ich hier
gewesen? Lebten die Gottkönige von Uruk noch? In meinen Gedanken
erkannte ich ein fremdes Ich, eine Blockade, eine riesige Menge
blinder Stellen. Ein Nebel hockte auf meinem Gedächtnis - ich
wußte, daß mein Gedächtnis perfekt und absolut war.
Bewußte und unbewußte Aktivierung versetzte in diesem
Augenblick ein gewaltiges System von Assoziationen in Bewegung.
Gedanken überstürzen sich. Ich springe von einer Bildfolge
zur anderen.
    Der Wind heulte. In der Feme zuckten Blitze. Sonnenlicht hinter
den Abendwolken bildete gewaltige schräge Balken. Sand wirbelte
auf und zerrte an unseren Mänteln und an Mähnen und
Schweifen der Tiere. Wir schwiegen und musterten die Szenerie, die
weit unterhalb der vorspringenden Felsenkanzel lag.
    Querverbindungen und Bilder meines gemarterten Verstandes
überstürzen sich. Ich erkenne jetzt, daß jemand oder
etwas meinen Verstand manipuliert hat und demnach auch einen Teil
meiner Vergangenheit. Ich ahne, daß es Erinnerungen gibt, aber
mein photographisch exaktes Gedächtnis vermag sie nicht
zurückzubringen.
    Nur scheinbar weiß und kann ich alles. In Wirklichkeit
fehlen große Teile meiner Persönlichkeit. Erinnerungen
wurden ausradiert. Gleichzeitig erkenne ich mit furchtbarer
Deutlichkeit, daß ich die lebensnotwendigen Bedeutungen vieler
Dinge und Begriffe nicht mehr erkennen werde. Warum ist das
geschehen?
    Die Rückkehr aus der Wolke der quälenden Überlegungen
war wie Atemholen in kühler Luft. Durch das Geräusch des
Sturmes, der jetzt Holzsplitter und winzige Steine gegen die Felsen
prasseln ließ, ertönte zum drittenmal der Schrei
Sherengis, der Löwin. Jetzt jaulte das Tier - oder ein anders -
wie eine getroffene Katze auf. Ich konnte Sherengi nicht zurückrufen;
ich hatte das breite Dolchband abgelegt, als ich zum Spürtrupp
aufgebrochen war. Ein schmetternder Donnerschlag beunruhigte die
Reittiere noch mehr. Wir konnten sie weder mit den schweren Zügeln
noch mit den Peitschen zurückhalten. Die pechschwarze
Gewitterwolke breitete sich aus und kam näher. Der Wind wurde
stärker.
    Erinnerungen sind wie in Bewegung gesetzte Kugeln. Sie rollen
umher und stoßen unablässig andere Kugeln an. Ich bin wie
gelähmt und beginne zu zittern. Ich erkenne jetzt, daß ich
abermals auf diese Welt geworfen
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