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Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Titel: Heiraten für Turnschuhträgerinnen
Autoren: Filippa Bluhm
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unsere Augen miteinander reden.
    Wir haben es geschafft! Wir sind verheiratet! Und glücklich!
    Ich bin sogar so glücklich, dass ich mich zusammenreißen muss, nicht vergnügt loszuhüpfen, als wir Hand in Hand durch die leeren Bankreihen in Richtung Ausgang gehen. (Na gut, muss ich nicht, in diesen gottverdammten Pumps könnte ich nicht einmal auf einem Bein stehen!) Und obwohl wir genau wissen, dass da draußen mehr als hundertGäste darauf warten, uns zuzujubeln, ist der Augenblick, in dem wir die Türe öffnen und in die Sonne treten …
    Konfetti fliegt, Reis fliegt, wir fliegen!
    Es ist der umwerfendste und schönste und absolut herrlichste Augenblick in meinem Leben!
    Und dann wird gratuliert. Meine Mama fällt uns heulend in die Arme. Georgs Mama fällt uns heulend in die Arme. Georgs Vater umarmt uns, als hätten wir eben erfolgreich die Diplomprüfungen absolviert. Als ich meinem Papa um den Hals falle, höre ich zwar ein lautes »Autsch!«, aber das kümmert mich nicht. Ich umarme Lala, ich umarme Christian. Ich umarme meine Cousine Olga, die mir mit tränenüberströmtem Gesicht und in feinstem Sprachschuldeutsch zuflüstert, wie wunderschön alles sei. Ich umarme sie gleich noch mal und sage, wie sehr ich mich freue, dass sie gekommen ist. Ich umarme Isabell und Heiner und Susanne und küsse Kristin die Tränchen aus dem Gesicht. Ich umarme jeden, der mir in den Weg kommt, und zwischendrin drücke ich Georg an mich, weil ich so glücklich bin, und auf einmal habe ich ein Glas Sekt in der Hand, und die Gläser klirren …
    Plötzlich stehen Onkel Paweł und Tante Wanda mit einer Tüte Salz und einem Laib Brot vor mir und fragen mich feierlich:
    »Was willst du lieber? Salz oder Brot?«
    Verdammt. Mein Blick geht zwischen beidem hin und her, her und hin. Salz oder Brot? Die richtige Antwort hat mir bei der Hochzeit von Olga niemand übersetzt. Zum Glück flüstert meine Mutter sie mir ins Ohr.
    »Ich will Salz und Brot – und meinen Ehemann!«, rufe ich. Prompt geht ein Jubelschrei durch die polnische Verwandtschaft, Tante Wanda hält erst mir, dann Georg das Brot zum Küssen hin, jemand anderes reicht unsGläser mit Wodka. Wir trinken, werfen die Gläser hinter uns, und plötzlich fliegen überall dort, wo gerade der Laib ist, die Gläser, und Georg und ich strahlen uns an …
    Nur der Strauß in meiner rechten Hand pikst.
    Er pikst wie verrückt.
    Himmel, wie viele Leute müssen wir denn noch drücken?
    Nachdem uns selbst Frau Kronfeld von Bismarck und die Kellnerin in den Arm gefallen sind, flüstere ich Georg zu: »Ich würde den gern loswerden.« Dabei zeige ich mit dem Kinn unauffällig in Richtung Brautstrauß.
    »Dann wirf ihn!«, flüstert er zurück.
    »Meinst du wirklich? Jetzt gleich? Hier?«
    Eigentlich habe ich vorgehabt, den Strauß erst nach dem Essen am Abend zu werfen, damit die Leute von den Tischen aufstehen und unmittelbar danach die Party beginnen kann. Allerdings habe ich da noch nicht gewusst, dass der Strauß so ein blödes Ding sein würde, schlecht zusammengebunden und mit Dornen dran. Ich will Georg gerade meine Bedenken mitteilen, da ruft er schon in die Menge:
    »Charlotte wirft jetzt den Brautstrauß! Junggesellinnen vor!«
    Sofort entsteht ein Mordsgewusel, mindestens dreißig Frauen bilden eine Traube, und es ist sehr, sehr interessant zu sehen, wer sich nach vorne drängelt und wer sich eher am Rand verkriecht. Kristin zum Beispiel – so weit scheint die Verliebtheit dann doch nicht zu gehen – steht ganz hinten und macht ein Gesicht, als säße sie unvorbereitet im Matheunterricht, während der Lehrer auf der Suche nach seinem nächsten Opfer in die Klasse späht. Manche gucken unbeteiligt zur Seite, manche ziehen blöde Grimassen, um zu verbergen, wie aufgeregt sie sind. Isabell hatKlein-Leonie auf dem Arm, die aufgeregt winkt. Sogar Veras Tochter Annalena hat sich postiert, dabei ist sie erst vier. Und ganz vorn steht Lala, die sich aufbaut wie ein Torwart beim Elfmeter. Ich blinzle ihr verschwörerisch zu. Wir haben uns das so schön ausgemalt: Wenn sie erst den Brautstrauß fängt, wird sie ratzfatz endlich den richtigen Mann treffen, und dann begleite ich sie endlich in ihre blöde Brautkleidboutique.
    Ich wende der Meute den Rücken zu und lasse wie ein Rodeoreiter Strauß und Hüften kreisen, während ich zähle:
    »Eins … zwei … uuuuuuuund … drei!«
    Ich werfe – und bemerke schon währenddessen meinen Fehler: Ich habe den Strauß zu spät losgelassen,
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