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Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Titel: Heiraten für Turnschuhträgerinnen
Autoren: Filippa Bluhm
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lache gekünstelt und fange mit meiner Stocherei auf dem Teller von vorne an. Ich brauche dringend noch eine zweite Serviette!
    Wenigstens kommt Georg nicht auf den Gedanken, mich jetzt auch noch aufzuziehen.
    Ping! Ping! Ping!
    Ich nutze die Ablenkung, um das zweite Stück Torte auf den Teller mit dem ersten zu schieben und die Serviette darüber auszubreiten. Ein schneller Blick zu Onkel Paweł, doch der hat nichts bemerkt.
    Ping! Ping! Ping!
    Erst jetzt merke ich, dass mein Vater sich erhoben hat und darauf wartet, dass die Gespräche verstummen. Georg nimmt meine Hand und drückt sie aufmunternd. Papa zieht einen Computerausdruck aus der Jacketttasche, faltet ihn auseinander, rückt seine Lesebrille zurecht und räuspert sich.
    »Liebe Anna, lieber …«
    Ist er verrückt geworden? Er klaut sich eine Rede aus dem Internet und korrigiert nicht mal die Namen? Am liebsten würde ich zu ihm hinrennen, ihm seine Krawatte in den Mund stopfen und ihn am Stuhl festbinden. Hört das denn nie auf, dass Eltern peinlich sind?
    Zum Glück begreift er seinen Fehler sofort und fängt von vorne an. Und das Publikum scheint nichts bemerkt zu haben. Alle lächeln ihn voller Erwartung an.
    »Liebe Charlotte, lieber Georg, liebe Ingrid, lieber Rudolf, liebe alte und neue Verwandtschaft, liebe Hochzeitsgäste!«
    Ich ziehe den Kopf ein.
    »Ein bisschen nervös bin ich schon: Eine Hochzeit ist schließlich ein ganz besonderes Fest. Und nun soll ich auch noch eine Rede halten – aber irgendwie muss ich meiner Freude ja Ausdruck verleihen.«
    Gleich wird er sich komplett blamieren. Und mich auch. Uns alle!
    »Große Worte liegen mir nicht – das, was zu sagen ist, haben andere schon besser gesagt. Deshalb möchte ich mit einem Zitat beginnen. Marie von Ebner-Eschenbach …«
    Marie von Ebner-Eschenbach? Weiß mein Vater überhaupt, wer das ist?
    »… hat gesagt: ›Soweit die Erde Himmel sein kann, so weit ist sie es in einer glücklichen Ehe.‹ Nun, aus eigener Erfahrung kann ich guten Gewissens hinzufügen, dass eine dauerhafte, verlässliche Partnerschaft das Beste ist, was einem im Leben passieren kann. Das hat auch schon Albert Schweitzer gewusst: ›Glück ist das Einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt.‹«
    O Mann. Hat er nicht gemerkt, dass das die Standesbeamtin auch schon gesagt hat? Wahrscheinlich hat er während der Trauung überhaupt nicht zugehört. Das passt jamal wieder zu ihm. Kann ganze Fußballspiel-Kommentare auswendig, aber sobald eine Frau den Mund aufmacht, schaltet er auf Durchzug.
    »Aber egal wie glücklich eine Ehe ist, der schönste Tag im Eheleben wird immer der Hochzeitstag sein. Es ist sicher ganz natürlich, dass an einem solchen Tag niemand darüber spricht, wie schwer es dem Vater einer Tochter fällt, diesen zu begehen. Kaum hat man sie mit viel Freude großgezogen und blickt voller Stolz auf ihr Tun und Treiben, schwupp, hat sie einem ein junger Mann weggeschnappt. Das ist zwar der Lauf der Dinge, doch fair, fair ist das nicht. Zumindest aus der Sicht des Vaters.«
    O weh. Worauf will er hinaus? Ich ahne Düsteres, aber das Publikum ist heiter, lacht, als wäre es ein Witz.
    »Plötzlich werden alte Erinnerungen wach. Der selbst gebaute Sandkasten, das erste Fahrrad, die schönen Ausflüge, die Leichtathletik-Turniere …«
    Leichtathletik-Turniere? Ich? Ich habe bei den Bundesjugendspielen nicht einmal eine Siegerurkunde gekriegt! Aber keinem fällt etwas auf, sogar meine Mutter strahlt, als würde sie meinen Sieg beim Stabhochsprung noch ganz deutlich vor sich sehen.
    »… die Geburtstagsfeiern, Urlaube, Partys … auf einmal denkt man so an dies und das und freut sich über all die tollen Dinge, die wir gemeinsam erlebt haben. Charlotte war immer so ein liebenswertes Kind, und vor allem neugierig! Ich kann Georg nur wünschen, dass keiner der Gäste heute auf die Idee gekommen ist, dem Brautpaar eine Mikrowelle zu schenken, denn das Lieblingshobby unserer Tochter war es auszuprobieren, was passiert, wenn man Negerküsse, Tomaten, Schoko-Nikoläuse, ganze Eier oder auch Kakteen darin erhitzt. Nun – sie musste sie ja auch nicht sauber machen.«
    O mein Gott. Das soll der persönliche Touch sein? Der ganze Saal bepisst sich vor Lachen. Georgs Gesicht ist tränenüberströmt, er blinzelt mir verliebt zu. Wo, bitte, ist hier die Stopp-Taste? Der Notausgang? Ein Beamer? Was für ein Desaster!
    »Und dann ihr Lachen! Schon als junges Mädchen bezauberte Charlotte Menschen mit ihrem Lachen
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