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Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Titel: Heiraten für Turnschuhträgerinnen
Autoren: Filippa Bluhm
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an ihren mächtigen Brüsten klebt. Heiner ist da und Susanne und Jonathan, und Klein-Leonie versucht über die Bank zu klettern, ihre große Schwester Annalena folgt ihr. Dann entdecke ich Kristin, die sich an die Hand ihres Timothys klammert und …
    Ich glaub es nicht. Eigentlich hatte ich befürchtet, dass Kristin dazwischengeht, wenn sie sieht, dass ich mich von meinem Vater zum Altar führen lasse. Und jetzt stehen ihr Tränen in den Augen vor Rührung! Als sie meinen Blick bemerkt, lacht sie auf und winkt. Ich grinse zurück, streiche mir unauffällig die Haare hinters Ohr und tippe auf den Ohrring, aber dann wende ich mich schnell der Standesbeamtin zu, die jetzt zu reden beginnt.
    Frau Homeier hat kurze Haare und sieht aus wie meine Grundschullehrerin, nur dass sie viel dünner ist. Sie sitzt auf einem Sessel und liest aus einer grünen Ledermappe eine Rede ab, aber ihre Stimme ist so einschläfernd, dass mein Kopf zu einem offenen Fenster wird, durch das ihre Worte einfach hindurchwehen. Einmal bemerke ich, dass sie Albert Schweitzer zitiert, »Glück ist das Einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt« – ich denke noch, dass das der unoriginellste Spruch ist, den man bei einer Trauung sagen kann, aber ansonsten bekomme ich nicht viel mit.
    Immerhin hat Frau Homeiers monotone Art eine beruhigende Wirkung auf mich. Mein Puls senkt sich langsam, von 260 auf vielleicht 180. Sie redet und redet und schaut uns hin und wieder eindringlich an, um zu unterstreichen, wie wichtig das Gesagte ist. Jedes Mal, wenn sie das tut, nicke ich artig und gebe mir Mühe, so ernst und feierlich wie möglich dreinzuschauen.
    Ich schiele zu Georg hinüber. Offensichtlich ist er ganz bei der Sache, wohingegen ich mich nicht einmal daran erinnern kann, wann wir uns bei den Händen genommen haben, so durch den Wind bin ich. Er drückt meine Hand und erwidert meinen Blick, und ich sehe, dass seine Augen tränengefüllt sind. Ich habe ihn noch nie so glücklich und beseelt gesehen, und ich schaue schnell wieder weg und muss plötzlich ganz oft blinzeln. Wenn ich erst einmal angefangen habe zu heulen, dann kann ich erst wieder aufhören, wenn ich mein zweites Glas Sekt gekippt habe.
    »Ja«, sagt Georg plötzlich laut.
    Ich sehe erschreckt zu ihm rüber. Er drückt meine Hand ganz fest und strahlt mich an, die Tränen laufen ihm jetzt über beide Wangen, ich erwidere seinen Druck, und mein Herz hüpft, und ich muss noch mehr blinzeln, und ich schlucke wie wild und sehe ganz schnell wieder zur Standesbeamtin, die gerade zu reden aufgehört hat und mich beschwörend ansieht.
    Ich nicke feierlich, mit festem Blick.
    Sie nickt ebenfalls.
    Ich lächle sie an.
    Sie nickt noch einmal.
    Im Publikum beginnt jemand zu kichern. Ich habe keine Ahnung, was jetzt bitte so lustig sein soll.
    Sie nickt und sagt schließlich: »Frau Michalski?«
    Ich reagiere nicht, dafür bricht das Publikum in Gelächter aus, und dann fällt endlich auch bei mir der Groschen. Mit hochrotem Kopf rufe ich laut und deutlich: »Ja! Ja! Natürlich!«
    Das Publikum tobt jetzt, Georg lacht mich an, auch Lala und Christian können sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Mit einem Schlag fühle ich mich wie damals, als ich in der Grundschule bei der Weihnachtsaufführung dasLied vom kleinen Eskimo singen musste und mir sicher war, dass alle lachen, weil ich so falsch singe. Meine Mutter hat Wochen gebraucht, um mir klarzumachen, dass ich mit meiner Eskimo-Kapuze einfach nur so wahnsinnig süß ausgesehen habe. Ich glaube, das war der Moment, in dem ich beschlossen habe, nie, nie, niemals wieder süß auszusehen, um jeden Preis.
    Frau Homeier schlägt eine Mappe auf, legt sie auf ihren Schreibtisch und bittet erst Georg, dann mich um eine Unterschrift. Herrje, jetzt fühle ich mich wirklich wie ein kleines Mädchen. Ich habe solche Angst, mich bei meinem Namen zu verschreiben, dass ich die Zunge zwischen die Lippen klemme, wie früher, als ich acht war. Meine Hand allerdings zittert so sehr, dass mein Gekritzel aussieht, als sei ich fünf. Sie zittert auch noch, als Georg und ich uns die Ringe anstecken, und ich bin so was von froh, als Frau Homeier uns endlich erlaubt, uns zu küssen, dass ich gar nicht mehr damit aufhören will.
    Das Publikum rast, und plötzlich merke ich, dass mein Herz immer noch schlägt, aber nicht mehr, weil ich aufgeregt bin.
    Ich löse meinen Mund von Georgs Lippen und sehe ihn strahlend an. Wir sagen kein Wort, aber ich weiß ganz genau, was
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