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Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Titel: Heiraten für Turnschuhträgerinnen
Autoren: Filippa Bluhm
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sodass er kaum in die Höhe fliegt, sondern eher wie ein Schmetterball auf die Traube der Mädels zuschießt, genauer gesagt: direkt in die Arme von Annalena, die eine Sekunde lang überlegt, ob sie weinen soll, dann aber laut krähend damit wegrennt.
    Scheiße. Wenn Annalena die Nächste ist, die heiratet, ist Lala ja fast schon in Rente!
    »Hey, das zählt nicht!«, ruft Lala. »Du hast ja gar nicht richtig geworfen!«
    »Lala hat recht«, ruft Georg, »es heißt Brautstraußwerfen, nicht -schießen!«
    »Noch mal!«, ruft Susanne.
    »Noch mal!«, ruft Onkel Albert.
    »Okay«, sage ich lachend, »okay, okay, okay! Der erste Versuch war eh bloß zur Probe!«
    »Annalena!«, ruft Vera und läuft ihrer Tochter hinterher, die den Brautstrauß bereits ebenfalls in die Luft wirft, allerdings nur, um ihn selbst wieder aufzufangen. »Annalena! Gib das wieder her!«
    Vera reißt ihr den Strauß aus der Hand, und das arme Kind fängt an zu heulen. O weh! Ich hoffe, das hinterlässt bei der Kleinen keine bleibenden psychischen Schäden – erst zur Braut erkoren zu werden und es dann von der Mutter verboten zu bekommen! Aber dann sehe ich, dass sie sich nur an einem der Dornen gepikst hat. Meine Mutter läuft herbei, kramt in ihrer Tasche, Annalena bekommt ein Pflaster, Isabell pustet auf den verletzten Finger, dann sammelt sich die Menge wieder.
    Ich zähle noch einmal bis drei, dann werfe ich.
    Diesmal wirbelt der Strauß in perfektem Bogen durch die Luft. Lala reißt die Arme in die Höhe und springt mit aller Kraft – doch sie erwischt ihn nicht. Ein paar Sekunden lang sehe ich nur rangelnde Arme und fliegende Haarsträhnen, dann teilt sich die Menge und gibt eine Kristin frei, die erst völlig perplex dreinschaut, dann den Blick ihres Timothy sucht, hilflos den Strauß schwenkt und schließlich zu lachen beginnt. Ich sehe, wie Lalas Enttäuschung blitzschnell verfliegt, sie auf Kristin zustürzt und sie aufgeregt in den Arm nimmt.

[Menü]
    Stunden später …
    Ich sitze vor einem Teller Tafelspitz vom Mecklenburger Weiderind und kriege nichts runter, und das, obwohl ich seit vorgestern nichts gegessen habe und es der Gang ist, auf den ich mich schon gefreut habe, seit wir anfingen, das Menü zu planen. Aber in den letzten Tagen scheint mein Magen auf die Größe einer Erbse geschrumpft zu sein. Schon die Vorspeise zu essen hat sich angefühlt wie eine umgedrehte Geburt. Georg hingegen schaufelt unbeirrbar Fleisch und Gemüse in sich hinein, schon nach wenigen Minuten nähert er sich dem Ende von Phase zwei.
    »Wann kommt eigentlich die Rede deines Vaters?«, flüstert er mir ins Ohr, während er versucht, die letzten Soßenreste vom Teller auf seine Gabel zu kriegen.
    »Woher soll ich das wissen? Frag ihn!«, zische ich.
    »Ich mein ja nur. Eigentlich wollte er sie zwischen Suppe und Hauptgang halten.«
    Ach ja? Ich stochere auf meinem Teller herum, spieße ein Stück Kartoffel auf, lasse die Gabel aber wieder sinken.
    »Jetzt iss doch mal was«, flüstert Georg.
    »Ich kann nicht!«
    Um ehrlich zu sein: Es ist nicht so, dass ich ausgesprochen scharf auf Papas Rede wäre. Meine Mutter hat zwar geschworen, dass er die Internet-Rede an einigen Stellen abgeändert habe und sie jetzt »fast richtig persönlich« klinge, aber trotzdem, ich meine, irgendwie bleibt die Idee doch reichlich abgedreht. Was, wenn irgendjemand dieRede kennt? Oder sie schon mal selbst gehalten hat? Total peinlich!
    Ruhig, Lotte. Beruhige dich.
    Immerhin scheinen sich unsere Gäste zu amüsieren. Alle essen, trinken, plaudern, der Raum ist erfüllt von Gelächter und Gläserklirren. Die Kinder jagen sich über die Tanzfläche. Unsere Eltern unterhalten sich prächtig. Sie unterhalten sich sogar so gut, dass sie Georg und mich kaum mehr beachten. Und ich hatte Angst vor eisigem Schweigen am Tisch! Sogar die Hattinger und die Polen scheinen sich blendend zu verstehen, zumindest steht neben der Mineralwasserflasche eine Flasche Wodka auf dem Tisch, und vielleicht ist es Einbildung, aber ich habe den Eindruck, dass Tante Waltraud und Onkel Szymon heimlich Blicke tauschen, mit einer Hingabe, dass ich gar nicht wissen will, was unter dem Tisch passiert. Lala hat mit Heiner den Platz getauscht und sitzt jetzt direkt neben Kristin, redet auf sie ein und gestikuliert wie wild, einmal glaube ich, sie ein Brautkleid in die Luft malen zu sehen. Timothy sitzt den beiden gegenüber und sieht gar nicht mal so unglücklich aus.
    »Hey, ich glaube, dass Kristin und
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