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Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt
Autoren: Robert Tibber
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Absicht aufzugeben, als einfacher Kassenarzt in den staatlichen Gesundheitsdienst einzutreten und mich nach einer lukrativen Allgemeinpraxis umzusehen. Es kostete mich den ganzen Winter, dreißig Nummern des British Medical Journal, einundzwanzig Unterredungen und eine ganze Schachtel Briefpapier, um meine jetzige Praxis zu erwerben. Dann stellte ich Sylvia vor das Fait accompli. Aber sie weinte von neuem und sagte, das nütze alles nichts. Sosehr sie mich liebe, wolle sie ihren Beruf als Mannequin einfach nicht aufgeben und würde als Frau eines Arztes völlig versagen.
    Hier also lag ich, und dort stand Sylvia und schaute vom Deckel des Golflehrbuchs auf mich hinab. Ich hatte mir und ihr geschworen, nie wieder mit ihr zu sprechen, ihr Anerbieten, wir wollten Freunde bleiben, zurückgewiesen und mich von da an aus Trotz immer mit der kleinen rothaarigen Schwester auf der Unfallstation vor ihr gezeigt. Allein, es half alles nichts. Ich konnte nicht anders als sie weiter lieben, und so würgte ich schließlich meinen Stolz hinunter und ging auf ihre Bedingungen ein. Vorige Woche hatte ich sie zum Abschied geküßt und ihr ewige Liebe geschworen.
    Ich hob ihre Fotografie hoch, küßte das kalte Glas und versank mit einem »Gott strafe dich, Liebstes« in Schlaf.
     

DRITTES KAPITEL
     
    Meine Ankunft schien sich herumgesprochen zu haben. Als ich beim Frühstück im »Morgenzimmer« saß (Mrs. Littles demokratisches Gebaren hatte sich anscheinend nur auf den ersten Tag erstreckt), vernahm ich mit geradezu erschreckender Häufigkeit das Klick-Klack des Gartentörchens. Ich beschäftigte mich so lange wie möglich mit meinen Speckeiern und aß zwei Stück Toast über meinen Appetit. Meiner Verzögerungstaktik lag weniger Angst vor allfälligen medizinischen Schwierigkeiten zugrunde, als eine dumme Scheu vor der plötzlichen Begegnung mit so vielen neuen Menschen. Ich stellte mir vor, wie sie mich neugierig oder feindselig anstarren würden, wenn ich die Tür ins Wartezimmer öffnete. Zwischen kleinen Schlücken des schrecklichen Gebräus, das Mrs. Little als Kaffee ausgab, übte ich den Tonfall, in dem ich meine Patienten begrüßen wollte. Ich versuchte es erst mit sanfter Stimme, die glatt und gebildet klang, fand jedoch, das würden sie wahrscheinlich albern und waschlappig finden. Ein etwas lauterer Ton schien eher angebracht, aber auch nicht so ganz. Indem ich mir den letzten Rest des scheußlichen Getränks einverleibte, stand ich auf, und mein Blick fiel auf das mit dem verschiedensten Krimskrams gefüllte Porzellanschränkchen, das von dem langjährigen Sammeleifer der verstorbenen Frau Doktor zeugte. Ich steckte beide Daumen unter meine Rockaufschläge, faßte einen Porzellanengel stählern ins Auge und bellte mit einer von Wohlwollen durchtränkten Stimme »Guten Morgen!« Dies schien mir endlich, wenn auch vielleicht nicht ganz angemessen, so doch weniger weichlich. Ich entschloß mich also für die jovial dröhnende Stimmlage und suchte sie im Ohr zu behalten. Dann rückte ich entschlossen meinen Schlips zurecht und schritt langsam auf das Wartezimmer zu. Die Hand auf der Klinke, horchte ich einen Augenblick auf das Füßescharren, Reden und Räuspern drinnen, schalt mich dann einen Feigling. Ich gönnte mir noch zwei Minuten des Abwartens. Dann richtete ich mich auf, öffnete die Tür mit würdiger Haltung und rief: »Der erste, bitte.« Es mußte wie der Ruf eines Henkers geklungen haben.
    Die erste Patientin meiner neuen Praxis litt an Migräne, die zweite an einem steifen Hals, und die dritte, ein kleines Mädchen, hatte sich eine Glasperle in die Nase gestoßen. Zuerst dachte ich, es sei reine Einbildung von mir, aber allmählich fühlte ich mich überzeugt, daß jedesmal, wenn ich einen Patienten hinausließ oder einen neuen hereinrief, weniger und weniger Leute im Wartezimmer säßen, bis nur noch ein alter Mann, zwei verwahrloste Kinder und ein Hund übrig waren.
    Ich fragte den Alten, einen Mr. Masher, der mit der rührenden Hoffnung gekommen war, ich hätte eine Wunderkur für seinen hoffnungslosen Fall, was denn mit all den anderen geschehen sei.
    »Ach, sorgen Sie sich deswegen nicht, Herr Doktor«, antwortete er. »Die meisten wollten bloß erst mal hereinsehen. Ein paar von den Damen sagten, Sie wären reichlich jung, und alle wollten wissen, ob Sie verheiratet wären.«
    »Nun, dann sagen Sie ihnen, ich sei unverheiratet«, erwiderte ich und verschrieb ihm ein Rezept. »Nehmen Sie das, Mr.
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