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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl
Autoren: ADMIN JR.
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sich nicht länger und begießt ihr Stumpfnäschen mit edlen Kreszenzen und läßt sich von dem samtenen Bariton verliebte italienische Strophen ins Ohr summen. Sie kichert über den galanten Meister, über den devoten Ober, bei dem sie es inzwischen zur gnädigen Frau gebracht hat, sie kichert über alles und nichts und kommt sich vor wie im Roman. Nur von Zeit zu Zeit eine leise Frage: Sind wir rechtzeitig zurück?
    ***
    Frau Hedwigs Sorge um den heimkehrenden Gatten war überflüssig.
    Kempenich wurde in Köln gegen Abend von der Zwillingsverwandtschaft feierlich in eine Droschke verfrachtet: Laß es dir gut gehen – und grüß die Hedwig – hast du auch das Rezept – und nochmals alles Gute – und schreib auch mal – und sag der Tante Selma – . So fuhr der Kanzleivorsteher Kempenich von dannen und nahm Abschied vom großen heiligen Köln.
    Köln ist überall groß. Aber nicht überall heilig. Die Hohe Straße zum Beispiel ist mehr den weltlichen Dingen gewidmet.
    Insonderheit am Abend.
    Auf der Kegelbahn hat Kempenich viel von Köln gehört. Merkwürdige Dinge wurden erzählt, manchmal auch geflüstert. Er konnte da nicht mitreden und kam sich dumm und ungebildet vor. Jetzt war er selbst in Köln gewesen, drei volle Tage, fuhr wieder ab und hatte nichts gesehen als Tanten und Neffen und Kaffee und Kinderjäckchen. Fährt man dazu nach Köln?
    Die Droschke würgt sich langsam durch die engen Straßen. Das Menschengewühl nimmt zu. Kempenich bewundert die Verkehrsampeln und die Lichtreklamen, reckt den Kopf nach rechts und links und liest die Namen verheißungsvoller Freudenstätten: Astoria-Schuhe – Heute Tanz – Stollwerk – Eden-Bar – Pfandannahme – Mitropa – . Alles in Blau, Rot und Grün, und spiegelt sich auf dem Asphalt, der von den Autos schwarz poliert ist. Goldbetreßte Portiers mit fetten Gesichtern und großen Händen stehen vor den Eingängen, an denen sich die Menschen stauen, Menschen, die sich alle fremd sind und sich schieben und drängen, als könnten sie etwas versäumen. Kempenich trinkt das alles mit den Augen, seine Phantasie rast und kommt nicht mit, ein betäubender Duft steigt ihm ins Gehirn, ein fremdartiges Gemisch von Asphalt, Puder, Benzin, Reißverschluß.
    Da faßt er einen wilden Entschluß: Das will er sich ansehen! Selbstverständlich nur der Wissenschaft halber.
    Darüber ist er sich klar. Aber er will endlich wissen, was sich nächtlich in der Großstadt tut. Es gehört gewissermaßen zur allgemeinen Bildung.
    Außerdem kennt ihn hier niemand.
    In diesem Sinne läßt er die Taxe halten, nimmt Handkoffer, Feldstecher, Zylinderschachtel, Mantel, Schirm und Reisedecke und stürzt sich in den Strudel der Großstadt.
    Es erscheint angebracht, den Herrn Kanzleivorsteher auf seiner nächtlichen Forschungsreise zunächst nicht weiter zu verfolgen, sondern ihn eine Weile seinem Schicksal zu überlassen. Es ist ihm vielleicht auch lieber.
    ***
    Solch ein kleiner Moseldampfer nimmt sich Zeit. Leute, die auf der Mosel fahren, haben es nicht eilig. Die Eiligen rauschen mit dem Expreßdampfer den Rhein hinunter.
    Der Moseldampfer kam in Koblenz mit der planmäßigen Verspätung an. Warum sollte er für Frau Hedwig eine Ausnahme machen?
    Der letzte Zug war über alle Berge.
    Es ist durchaus gleichgültig, ob Faletti das Unheil vorausgesehen oder gar beabsichtigt hatte. Jedenfalls schwor er eine Unzahl heiliger Eide, daß er unendlich traurig sei und man infolgedessen in Koblenz übernachten müsse.
    Frau Hedwig war in viel zu vergnügter Stimmung, um ernstlich böse zu werden. Sie hatte auch schon ein ganz klein wenig damit gerechnet, daß es so kommen würde. Vielleicht gehörte das zu dem kleinen Roman, in den sie geraten war, und nun war sie furchtbar neugierig, wie das weitergehen, und wie sich diese junge leichtfertige Frau in dieser Lage benehmen würde. Sie kam sich vor wie ihre eigene Zuschauerin. Vielleicht war sie auch ein bißchen stolz auf ihr Schicksal.
    Das Hotel Waldfrieden sah recht gediegen aus. Aber Frau Hedwig fühlte sich doch befangen, und während der weltgewandte Faletti beim Oberkellner die notwendigen Förmlichkeiten erledigte, stand sie abseits und begann mit dem verschlafenen Portier ein Verlegenheitsgespräch über den verpaßten Anschluß. Sie hätte sich doch lieber etwas um die Förmlichkeiten kümmern sollen, anstatt sie völlig dem großzügigen Maestro zu überlassen. »Bitte die Herrschaften eine Treppe – bitte sehr Nummer
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