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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl
Autoren: ADMIN JR.
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Blitzlichtaufnahme. Kempenich bekommt zu diesem Zwecke die Säuglinge gereicht und ordnet sie malerisch auf seinen Knien an, allerdings nicht ohne vorher aus der Brusttasche ein Wachstuch zu entfalten und sorgsam über die Knie zu breiten. Dann wird das Zimmer verdunkelt. Bitte recht freundlich! Auf dieses Stichwort hin erheben die Zwillinge ein mörderisches zweistimmiges Gebrüll. Die Lunte brennt schon. Pff! Wieder hell. Ein kleines Fräulein jammert; sie hat sich gerade ihr Strumpfband festgemacht.
    Weißer Staub senkt sich auf Möbel und Menschen. Man lüftet. Es zieht. Die Gemütlichkeit ist zum Teufel. Aber das Ereignis ist der Nachwelt erhalten.
    ***
    In Weinheim an der Mosel ist Himmelfahrtstag und Himmelfahrtswetter. Zur Feier des Festes hat der Himmel das neue Blauseidne angetan. Wind und Wolken sind beurlaubt und überlassen den Wetterdienst der dicken blanken Sonne. Sie strahlt auf Fluß und Berge und strengt sich mächtig an und kommt dabei selber in Hitze.
    Jedermann ist unterwegs. Auch die Maria hat Ausgang. Nur Frau Hedwig wandert einsam durch das leere Haus und weiß nicht, was sie mit sich und dem Tag anfangen soll. Sie setzt sich auf die Terrasse, nimmt eine Handarbeit und blickt auf die mattgrüne Mosel hinab und auf die Paddler, die sich faul flußabwärts treiben lassen. Über die staubigen Straßen knattern Motorfahrer mit und ohne Braut. Wandervögel stehen in Trupps an den Straßenecken und kaufen Selterswasser und Bonbons. In der Ferne spektakelt ein sonntägliches Karussell.
    Frau Hedwig hält es zu Hause nicht aus. Sie nimmt Sommerhut und Schal, steigt die bröckligen Stufen zur Mosel hinunter und schlendert den schmalen Weg am Fluß entlang. Das Buschwerk reicht bis ins Wasser. Ein paar Kinder baden, balgen sich um einen Ball. Ein Kahn ist frisch gestrichen und läßt seinen schwarzen Bauch in der Sonne schmoren. Hinten an der Flußwindung steigt eine dünne Rauchfahne. Erst halb drei, denkt Frau Hedwig.
    Das Moseldampferchen kommt langsam angeschaukelt und macht an der Landebrücke fest. Frau Hedwig sieht zu, wie der alte Schiffer das Seil fängt und um den Pfosten schlingt.
    »Statiönchen mitfahren, junge Frau?«
    Warum nicht? Sie steigt ein.
    Das Schicksal wollte es, daß Meister Faletti an der Mosel stand und auf die Fähre wartete. Als er Frau Hedwig einsteigen sieht, besinnt er sich anders und galoppiert zur Landungsbrücke. Er kommt einen Meter zu spät. Soll er springen? Jetzt sind es schon zwei Meter. Drei Meter. Aus.
    An der Mosel ist das nicht schlimm. Der Maestro macht kurz entschlossen kehrt, steigt gemächlich den Berg hinauf, trinkt oben irgendwo Kaffee und kommt an der anderen Seite des Berges gerade recht, um am Ende der großen Moselschleife das Dampferchen abzufangen. Auf dem Schiff begrüßt er Frau Kempenich mit südländischer Lebhaftigkeit. Und tut furchtbar verwundert über den neckischen Zufall.
    Ob sie vielleicht bis Koblenz fährt?
    O nein, nur ein oder zwei Stationen. Übrigens muß sie rechtzeitig zu Hause sein und alles richten, ihr Mann kommt am Abend zurück.
    Aber das Wetter ist so wonnevoll, das Dampferchen schaukelt so vergnügt, und der Herr Faletti kann so bezaubernd erzählen von Rom und Mailand, Paris und Wien und der ganzen Welt und von überall, wo er gewesen und nicht gewesen ist. Er schwindelt ein bißchen und macht auch kein Hehl daraus und tut es so amüsant und liebenswürdig, daß man ihm nicht böse ist und sich Mühe gibt, alles zu glauben. Und gut aussehen tut er übrigens auch, der Meister, in dem weißen Flanellanzug und breitkrempigen Panama mit dem bartlosen, olivtönigen Gesicht; man kann sich mit ihm schon sehen lassen.
    So läßt sich Frau Hedwig von Station zu Station beschwatzen. Die Marienburg, das Felsennest Beilstein, die Burg Cochem gleiten vorüber. Das Schiff ist nicht mehr so voll, und die Hitze hat nachgelassen. Frau Hedwig verschiebt das Aussteigen immer weiter. Sie sitzt mit dem Meister am Heck und hat ihren Spaß an der riesigen Weinkarte und der winzigen Speisekarte, auf der fast alles außer Salzgurke gestrichen ist, und will sich schier totlachen über den Kellner, der sie hartnäckig mit Fräulein anredet. Und hat gar keine Langeweile mehr.
    Das Dampferchen schwimmt langsam stromabwärts in den Sommerabend hinein. Die kleinen Moselnester haben ihre Lichter aufgesteckt und spiegeln sich im blanken Wasser, das in der Abendstimmung wie Öl liegt und leise Kringel zieht. Das Schiff ist fast leer. Frau Hedwig ziert
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